Freitag, 15. März 2013

Adieu deutsches Kulturfernsehen

Erst wenige Jahre ist es her, als das ZDF seine neuen digitalen Spartenfernsehsender aus dem Boden stampfte und plötzlich gab es tatsächlich wieder Fernsehen, das sich zu sehen lohnte. Kulturformate neben dem traditionellen Tracks, Sendungen, die endlich die Jugend ansprachen, auf welche die öffentlich-rechtlichen jahrelang ihre Fäkalien verstreut hatte, Musikformate waren fast gänzlich ausgelöscht worden, die Gamerszene spielte außer nach Amokläufen in einseitigen Gesprächsrunden keine Rolle. Was blieb war Game One auf MTV, welches spätestens nach dem Tod von Giga ganz Fernsehdeutschland mit News zu Spielen versorgen musste. Und auch sonst blieb nicht mehr viel übrig, wollte man nicht Rosamunde Pilcher oder sonstige reiche Schnösel mit uninteressanten Problemen im ZDF-Hauptkanal erleben musste man sich zum zehnten Mal alte Reportagen auf phoenix anschauen oder auf das monatliche Bauerfeind in 3Sat warten, es sei denn, man wollte über eine klassisch gehaltene Neuinterpretation der Zauberflöte in Wien durch einen alten Mann informiert werden.

Doch plötzlich schien die öffentlich-rechtliche Ödnis der Vergangeneheit anzugehören. Junge, frische und unverbrauchte Moderatoren leiteten plötzlich durch den Tag, ohne den Eindruck zu erwecken, die Großeltern um keinen Preis verschrecken zu wollen. Neue Formate wie Pixelmacher starteten auf zdf.kultur und auch das erst kürzlich preisgekrönte Roche & Böhmermann ließ nicht allzu lange auf sich warten. Im Sommer wurden plötzlich ganze Musikfestivals übertragen, der kulturpalast kam ins Leben und berichtete endlich einmal ansprechend über wirklich neue kulturelle Strömungen und Ereignisse, ohne die wirkliche Kulturlandschaft dabei außer Acht zu lassen. Dazu kamen fast von Beginn schon Themenwochen in welchen von Dokus bis zu Filmen fast alles gezeigt wurde, was zu einem Thema möglich war. Es hatte sich etwas bewegt und man fühlte den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen mehr denn je, ohne sich dabei zu langweilen.

Es ist 2013 und man erkennt merklich, dass die Aufbruchsstimmung abgeebbt ist. Bei zdf_neo hat man Joko & Klaas von dannen ziehen lassen, nachdem bereits ein halbes Jahr davor Stuckrad-Barre zu Tele5 gewechselt war. Bei zdf.kultur verlor man Roche & Böhmermann und jetzt soll der ganze Sender weggespart werden, der Marker verabschiedet sich dazu auch gleich mal. Bei dem Experimentiersender hat es sich damit ausexperimentiert, viel fiel den Verantwortlichen nach Wegfall der ersten Formatwelle auch nicht mehr ein und die für die Priv...äh...öffentlich-rechtlichen Sender so wichtige Quote blieb ja auch so niedrig, 0,1 % bei zdf.kultur, da muss man reagieren. Alte Menschen, die gerne ihre Fernsehgewohnheitsdaten weitergeben haben Deutschland im Griff, digitale Aufrufe zählen nicht. Dass das Fernsehen stirbt sieht man nicht, dass das Fernsehen mit solchen Kahlschlägen auch den letzten Interessenten verliert interessiert noch weniger. Zwar sollen die Eigenproduktionen gerettet werden, dennoch ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis zdf_neo auch seinem Bruder folgen wird. Sarah Kuttner wird mit Bambule auch nicht ewig den Sender halten können, dafür kosten aber ja immerhin alte Startrekfolgen weniger als Neuproduktionen.

Es bleibt festzuhalten, dass das zarte Pflänzchen von unverbrauchtem Kulturfernsehen wieder am eingehen ist, also schmieren Sie sich doch mal einfach wieder eine schöne Kotstulle und schauen Reich & Schön oder wie das heißt. Auf jeden Fall irgendwas, wofür man trotz Sparmaßnahmen noch genug Geld übrig hat.

RIP zdf.kultur

Mittwoch, 6. März 2013

Martin Schüttler-Pelze und Restposten

... und Restposten


Immer mit der Absicht, meinen musikalischen Hörerhorizont zu erweitern verschlug es mich kürzlich in den ZKM-Museumsshop in Karlsruhe, welcher neben vielen museumstypischen Bildbänden auch einige obskure CDs beinhaltet, bei denen ich mir den Kauf einer solchen nicht verkneifen konnte. Die Wahl fiel hierbei auf Pelze & Restposten des ehemaligen ZKM-Dauergastkünstlers Martin Schüttler.

52:04 Minuten geht die gesamte Werkschau und beginnt mit dem Stück „entnahme 1“, welches laut der Heftbeilage mit den zwei anderen einminütigen entnahmestücken einzelne Materialaspekte betrachtet. Anhören tut sich dies bei der ersten Version wie eine Art Gong unter Wasser, dazu gesellt sich seltsames Knarzen und etwas, das sich anhört wie Überdruck auf ein verklebtes Ohr auszuüben. Auch ein langgezogenes elektronisches Quaken zieht sich wie ein Gummiüberzug darüber. Erinnerungen an nervige Lounges oder aber auch einen Teich am Morgen werden geweck, auch wenn letzterer steril wirkt. Für mich ist hierzu zu sagen, dass das gesamte Werk fast durchgehend eine gewisse Grundsterilität ausstrahlt. Fremdartige Musik, die unzuordenbar sich in einem weißen Nichts bewegt. Dass solche Gedanken bereits beim ersten Stück entstehen kann dabei wohl durchaus gewollt sein, wenn man, wie das Beiheft sagt, davon ausgeht, dass diese als Ouvertüren zu den einzelnen Akten zu verstehen sein sollen.

Linked trips ist sodenn der Name von Stück Nummer 2. Ein Violoncello wird anfänglich malträtiert und bietet mit etwas, das an Glasorgel erinnert einen dunklen Anfang, welcher mit Knarzen zu undefinierbarem hohen Gesang überleitet, welcher sich alsbald wohl mit einer Flöte vermischt, ehe er abrupt durch lautes Gehämmere mit Knarzen unterbrochen wird, um alsbald jedoch wieder fortzufahren, um dann nach einiger Zeit wieder durch Hämmern unterbrochen zu werden. Die Gesamtgestalt wird dennoch ruhiger, auch wenn sich ab und an ein Knarzen in die Gesangspassagen wagt und gesangsbegleitende Materialien, wenn auch ungeheuer schmerzend hell, sich in das wilde Gehämmer mischen. Der Rest das Titels fährt in diesem Sinne weiter so fort. Insgesamt wie auch beschrieben eine immergleiche ansatzweise Mischung von Extremen, die insgesamt trotz ruhiger Passagen ziemlich unruhig macht, muss man doch immer damit rechnen mit einem Hammerinferno aus der Ruhe gerissen zu werden.

Gänzlich angenehmer ist scheinbar der etwas lang geratene Zitattitel „das mitleid ist die geißel der menschheit, sherriff“ Lange, fiepige, aber ruhige Passagen erinnern fast schon an etwas einfallslosen Ambient. Etwa ab der zweiten Minute wird diese ganze Athmosphäre jedoch von einem immer anschwellenderen Elektronengewitter überlagert. Insgesamt bietet dieses Experimentalstück einen Krieg zwischen Vierkanaltonband und Ghettoblaster, sofern der wohl ruhigere Teil vom Ghettoblaster kommt ist dabei definitiv zu sagen, dass er chancenlos unterlegen ist, auch wenn er noch zeitweise bewusst zu Wort kommen darf. Sofern bis zum Abschluss des Mittelteils noch etwas von den Hörorganen übrig geblieben ist, kann man die Ghettoblasterwiedergabe des Ausgangsmaterials (einer defekten Audiodatei) sogar noch genießen.

Augenbildermusik soll angeblich das Auftreten von Schemen, Bläschen und Verschwinden derer beim Schließen der Augen in Gegenlicht vertonen. Dazu spielt fast ohne Linie wild ein Akkordeon umher, wird gehämmert und hochfrequent eine Art Spannungsbogen erzeugt. Insgesamt gibt es immer Unterbrechungen, die darauf zurückzuführen sind, dass dieses Stück eigentlich aus mehreren besteht. Insgesamt wirkt das ganze zuweilen mysteriös, manchmal auch einfach unverständlich. Ich weiß nicht ob ich so etwas in dieser Form darstellen würde. Tonal wirkt das ganze wieder minimal und unruhig. Moderne Musik die mit Ambient anbandelt und zumindest hier was die Elemente angeht immer sehr flüchtig ist, wie wohl auch das, was sie optisch darzustellen versuchen.

Weiter geht das ganze mit entnahme 2, welches ich hier ausdrücklich als Kopfhörertipp nahelegen möchte. Klanglich kann man es wohl, zumindest aus meiner Sicht, als Kurzschluss im Hirn darstellen, der mit einem Fiepen zum Schluss ausläuft.

Dieses wird zu Beginn von taped & low bit dann nochmal wesentlich hochfrequenter und schmerzhafter. Dem schon harten Beginn gehen schnell noch aggressives Rauschen und eine oder ein SängerIn zur Hand.Der Gesang fiept hoch mit Unterbrechungen einen Text und wird mit ein und aussetzendem Rauschen zu einer apokalyptischen Mischung. Eine tiefere Stimme kommt ebenfalls hinzu. Kleinere ruhigere Passagen existieren zwar, allerdings zumeist nur um dann noch aggressiver als zuvor fortzufahren. In der Mitte bildet gar eine extrem schlechte Kaufhausmelodie diese Ruhepassage, bevor es wieder extrem lärmend und extrem kitschigem Text weitergeht. Insgesamt eine Aussage gegen eine lärmende Werbeindustrie, die darin versteckt liegt, die keine wirkliche Ruhe findet. Gut möglich. Vielleicht aber auch einfach nur eine heiße Liebschaft, die der Groschenromantext auch hergeben könnte, mit musikalischen Elementen ausgedrückt. Letztlich ist alles nicht so ganz klar

Die letzte Entnahme ist fast durchgehend tief und erinnert enternt an die „Nachrichten“ aus Kraftwerks Radio-Aktivität. Die Aussage, der Gedanke bleibt zumindest mir etwas verschlossen...

Der Abschluss Gier ist zu etwa zwei Dritteln ein Gemisch aus mit Klavier begleitetetem Murren und unzufriedenen Jammern, das aus den Musikinstrumenten irgendwie rausgequetscht wurde, unterbrochen, weitergeführt. Die Pausen werden größer, am Ende verstirbt alles und eine ruhige, wenn auch düstere Melodie klingt sehr langsam aus, bis nur noch ein leises Brummen bleibt. Insgesamt ein ziemlich schroffes Klangerlebnis, das insgesamt wohl auch ein Verlangen darstellen kann, eine ewige Suche, auf der alles zerstört wird. Am Ende bleibt nur Leere und Erschöpfung. Sicherlich eine mögliche Deutung. Dieses letzten Stückes von Pelze und Restposten.


Fazit:

Pelze & Restposten ist ziemlich sicher eine Veröffentlichung, die vom Musikrat gefördert werden musste, ist das Produkt doch in gewisser Weise noch mutiger als moderne Musik und gleichzeitig für wahrscheinlich fast jeden noch schmerzhafter als Harsh Noise. Das Zielpublikum wohl am ehesten noch Hipster an Musikhochschulen.
Musikalisch gibt es allerdings für den Hörer, der sich auf das Erlebnis oder die Tortur, je nach Auslegung, einlassen will einige sicherlich interessante Elemente zu entdecken, alllerdings wird man damit als DJ nicht besonders weit kommen, überschreitet für viele dieses Werk bereits die Grenze zwischen Abfall und Schallwaffe.

Für mich persönlich ist das Album definitiv eine gute Erfahrung. Favoriten, soweit ich sie benennen kann sind dabei entnahme 2 und gier, in welches ich auch empfehle hineinzuhören, wenn man bestimmen will, ob dieses Werk etwas für sich selbst sein kann. Das Hörgefühl schwankt insgesamt zwischen Atempausen und Unruhe und unerträglichem Gelärme. Ein akustisches, 50-minütiges Nasenbluten in normal rinnend bis zu dem von Animecharakteren. Grausig, aber durch den Blutverlust schon wieder geil.