Dienstag, 14. Februar 2012

Zensur bei der Piratenfraktion Werl

Tja, was ist da los, kann man sich fragen, wenn man diese Überschrift liest? Was ist dieses Werl und was sind das für Piraten dort? Doch alles nacheinander.

Die Entdeckung

Es ist schon etwas mehr als eine Woche her, als ich in google in den News auf die erste Stadratsfraktion der Piraten in NRW stieß[1] und mir den bericht dazu durchlas. Ein bisschen Schadenfreude, ein bisschen Erhabenheit, waren es, die mich in diesem Moment durchströmten. Die Fraktion bestand aus übergelaufenen Ex-Linken, die vor dem undemokratischen Verhalten ihrer Parteigenossen geflohen waren. Das war für diesen Moment fast alles, was ich wissen wollte, die Piraten waren wieder einmal mehr geworden, aufgrund ihrem frischen antiautoritären Verständnis von Demokratie und eine der "Etablierten" wurde dafür abgestraft. Coole Sache und so. Doch ich wollte mir die Neuen auch mal anschauen, so betrachtete ich auch noch ihr kurzes Erklärungsvideo ihres Übertritts[2]. Etwas seltsam starr, der Mann als eigentlich Unbeteiligter, übernahm die Redeführerschaft, wenn die Dame ihre eigene Geschichte nicht mehr erzählen konnte, etwas unprofessionell, aber gut. Ich wusste nicht was wirklich war, es war mir auch egal und diese Neupiraten würden schon alles richtig machen, hatten sich ja im Vorfeld schon mit anderen Piraten des Kreisverband Soest getroffen.

Die Pressekonferenz

Zeitsprung, auf vor drei Tagen. Ich schaute mal nach auf der Seite des Kreisverband Soest[3] und sah dort das eingebettete youtube-Video der Pressekonferenz der Piratenfraktion Werl[4]. Ich sah es mir an. Ich lies mich in meinem Sessel zurücksinken, ich schrieb einen Kommentar für die Seite des Kreisverband Soest, was ich persönlich davon halte. Hier die Originalfassung:

Ich habe gerade meinen Kopf tief in meiner rechten Hand vergraben, nachdem ich mir dieses unsägliche Pressekonferenzvideo in seiner vollen Länge zu Gemüte geführt habe. Und das hat mehrere Gründe.
Zum einen jenen, dass dieser dritte Herr von rechts, wie auch immer er heißen mag, letztlich bevormundend die fürchterlichen Geschichten seiner zwei Parteikollegen erklärt und natürlich dabei ihr Verhalten als absolut korrekt und dass der anderen als unmöglich darstellt. Ich weiß nicht, wie das genau ablief und das Grundgerüst von dem Gerede wird schon stimmen, aber einen üblen Nachgeschmack erzeugt das schon, erweckt es doch den Eindruck damals unlieben Parteikollen nun eins auszuwischen.
Danach kommt, dass man in einer Kommune von dem bösen Zinseszinssystem redet, dem Geld für die Banken, Schuldenschnittforderungen für die Kommunen, Leute, das kann doch nicht euer Ernst sein, ich weiß ja nicht für wie wichtig oder einflussreich ihr euch haltet, aber momentan seid ihr nur eine nichtregierende Stadtratsfraktion, kommt mal auf den Boden der Tatsachen zurück. Von dem Ton, der hier angeschlagen wird halte ich übrigens auch nichts, hört sich nach polemischen Sprüche aus dem roten Kindergarten an, anstatt nach sachlicher Auseinandersetzung. Ich glaube dem Piraten rechts, wurde es dabei auch langsam mulmig, was er da begrüßt.
Jetzt kommen wir zum dritten Punkt: Ihr redet davon, dass nichts alternativlos sein sollte, soweit bin ich noch bei euch, aber dann jederlei Kosteneinsparung kategorisch ablehnen zu wollen, halte ich einfach nur für doof und sich widersprechend. Denn auch ein Nichtkosteneinsparen sollte innerhalb eurer Fraktion nicht alternativlos sein, wenn es eine sinnvolle Einsparung gibt, deren Sinnhaftigkeit ihr auch einseht, dann wäre es relativ dämlich aus Prinzip dagegen zu stimmen. Abgesehen davon wurde hier für die Fraktion von einem einzelnen eine Abstimmungsvorhersage getätigt, obwohl noch in der gleichen Konferenz unter anderem der Grundsatz dass jeder Abgeordnete nur seinem EIGENEN Gewissen verpflichtet sein sollte für die Kommunalebene gewünscht worden war. Wenn zuvor intern eine Abstimmung dazu getätigt worden ist, dann nehme ich diesen Teil zurück.
Als letztes will ich mich nochmal mit den Ausgaben beschäftigen und zwar nicht mit eurer Philosophie sondern der Situation. Ich weiß jetzt nicht wie abgefuckt Werl ist und ob diese Stadt nur aus Hochhäusern wie Sidos Block besteht und nachts eine Situation wie in Mogadishu herrscht, ich vermute aber mal wohlwollend, das dem nicht so ist, sondern dass es stattdessen iwelche Pöstchen für alte Stadtratsmitglieder gibt, es iwo komische Brunnen gibt an Ecken, wo nie einer hinkommt, das bestimmte öffentliche Einrichtungen bei weitem nicht ausgelastet sind und dass der Schuldenberg Werls noch nicht so hoch ist, dass man mit Müh und Not gerade noch die Zinsen zahlen kann. Ihr macht es euch natürlich leicht mit eurer kategorischen Ablehnung von Einsparungen, aber kommt mal in der Realpolitik an, denn so nimmt euch zurecht keiner Ernst (ich rede von dieser neuen Stadtratsfraktion, nicht von den Piraten insgesamt). Es gibt wahrscheinlich bei euch Einsparmöglichkeiten und gleichzeitig auch Wege bestimmte Entwicklungen zu fördern, dass ihr auch ohne Schuldenschnitt auskommt und zwar in diesem bösen, veralteten Bankensystem.

Schöne Grüße aus Baden-Württemberg

Oblomow

Die Zensur

 Es war mitten in der Nacht auf den 12. Februar als ich dies tat. Die Antwort darauf kam vom Verantwortlichen über E-Mail am 12., tagsüber. Er würde diesen Kommentar gerne veröffentlichen, fände es aber angebrachter, dass ich ihn lieber bei den Werlern direkt poste.

Es kam mir etwas seltsam vor, stand doch schon ein, wenn auch wenig gehaltvoller, Kommentar bei den Soestern, doch das Argument leuchtete mir ein, also begab ich mich auf die Seite der Piratenfraktion Werl zu den Kommentaren für ihre Pressekonferenz.[5]

Es dauerte nicht lange und mein Beitrag wurde freigegeben, jedenfalls fast, denn er wurde zensiert. Dass ich einige Sprüche dem Niveau eines roten Kindergartens zuordnete, war für den Verantwortlichen offensichtlich zuviel. In der Art zuviel, dass er dies nicht einmal einfach durch einen weiteren Kommentar seinerseits angreifen konnte, sondern in der Weise, dass er diesen Teil herausnahm und ihn durch seinen persönlichen rechtschreibflamefähigen Teil ersetzte:

“Zensiert: WEnn sie Sachlichkeit möchten dann bitte eine andere Wortwahl und keine polemik die sie selber Kritisieren, danke”

Dies auch noch besonders schön fett, damit auch jeder sehen konnte, dass er, der tolle Werler Pirat ein ganz harter, sachlicher Zensor ist, der sich nicht ans Bein pissen lassen wird.


Beweisscreenshot:

Das weitere Vorgehen 

Als ich davon Kenntnis nahm, war ich erst einmal überrascht, dann schockiert und schließlich wütend. Jemand hatte meinen Text verunstaltet und dies als angeblicher Pirat. Mich an den Verantwortlichen der Seite zu wenden schien mir nach diesem Vorfall auch eher sinnlos, war die Zensur doch so eindeutig gewollt und hielt mich dieser jemand sowieso für ein Arschloch, dass aus dem weit entfernten Süden pöbelt.

Ich wand mich also wieder an den Soester Piraten, von dem ich schon einmal eine E-Mail erhalten hatte und schilderte ihm den Fall, in der Hoffnung, dass dieser eher zu den Werler Piraten durchdringen könnte, um ihnen zu erklären, welche Unsitte das ist. Er hat mir gestern Abend bestätigt, eine E-Mail an die Werler gesendet zu haben deswegen, in welcher er sein Unverständnis über diesen Akt der Zensur äußerte.

 Es ist der heutige Tag. Niemand hat mich kontaktiert, es geht dem Abend zu. Die Zensur ist noch immer nicht aufgehoben. Meine Geduld ist schon jetzt am Ende, vor Allem, da ich dieses Verhalten eigentlich nicht untergehen lassen will, wo dem Anschein nach bei der Fraktion ja auch kein Wille erkennbar ist, sich dafür zu entschuldigen und ihren Fehler einzusehen.

 Ich verbleibe somit bis dahin mit einem dunklen Gedanken, dass jene Überläufer das Piratenkäppi möglicherweise einfach als coole Trademark für sich entdeckt haben, ohne die piratischen Ziele ernsthaft zu teilen.

 Hiermit beende ich meinen Eintrag,

Oblomow 



Update :


Der Post von mir wurde nun gegen Abend zur Gänze gelöscht, eine Begründung blieb, wie es zu erwarten war, aus.

Ich habe nun eine E-Mail an die Verantwortlichen der Werler Webseite abgesetzt, in welcher ich diese zusammen mit einer Entschuldigung für die vorangegangene Zensur einfordere. Abgesehen davon, dass ich keine Gründe für eine Ablehnung des Kommentars außer mangelnder kritikfähigkeit sehe, ist dies denke ich das Mindeste, was man verlangen kann.


Update2 14.2.23:06:

 Der Kommentar wurde nach einer Mail an den im Kreisverband Soest Verantwortlichen nachträglich dort freigegeben, man möge darauf hoffen, dass man sich in Werl darüber schwarz ärgert.