Erst wenige Jahre ist es her, als das ZDF seine neuen digitalen Spartenfernsehsender aus dem Boden stampfte und plötzlich gab es tatsächlich wieder Fernsehen, das sich zu sehen lohnte. Kulturformate neben dem traditionellen Tracks, Sendungen, die endlich die Jugend ansprachen, auf welche die öffentlich-rechtlichen jahrelang ihre Fäkalien verstreut hatte, Musikformate waren fast gänzlich ausgelöscht worden, die Gamerszene spielte außer nach Amokläufen in einseitigen Gesprächsrunden keine Rolle. Was blieb war Game One auf MTV, welches spätestens nach dem Tod von Giga ganz Fernsehdeutschland mit News zu Spielen versorgen musste. Und auch sonst blieb nicht mehr viel übrig, wollte man nicht Rosamunde Pilcher oder sonstige reiche Schnösel mit uninteressanten Problemen im ZDF-Hauptkanal erleben musste man sich zum zehnten Mal alte Reportagen auf phoenix anschauen oder auf das monatliche Bauerfeind in 3Sat warten, es sei denn, man wollte über eine klassisch gehaltene Neuinterpretation der Zauberflöte in Wien durch einen alten Mann informiert werden.
Doch plötzlich schien die öffentlich-rechtliche Ödnis der Vergangeneheit anzugehören. Junge, frische und unverbrauchte Moderatoren leiteten plötzlich durch den Tag, ohne den Eindruck zu erwecken, die Großeltern um keinen Preis verschrecken zu wollen. Neue Formate wie Pixelmacher starteten auf zdf.kultur und auch das erst kürzlich preisgekrönte Roche & Böhmermann ließ nicht allzu lange auf sich warten. Im Sommer wurden plötzlich ganze Musikfestivals übertragen, der kulturpalast kam ins Leben und berichtete endlich einmal ansprechend über wirklich neue kulturelle Strömungen und Ereignisse, ohne die wirkliche Kulturlandschaft dabei außer Acht zu lassen. Dazu kamen fast von Beginn schon Themenwochen in welchen von Dokus bis zu Filmen fast alles gezeigt wurde, was zu einem Thema möglich war. Es hatte sich etwas bewegt und man fühlte den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen mehr denn je, ohne sich dabei zu langweilen.
Es ist 2013 und man erkennt merklich, dass die Aufbruchsstimmung abgeebbt ist. Bei zdf_neo hat man Joko & Klaas von dannen ziehen lassen, nachdem bereits ein halbes Jahr davor Stuckrad-Barre zu Tele5 gewechselt war. Bei zdf.kultur verlor man Roche & Böhmermann und jetzt soll der ganze Sender weggespart werden, der Marker verabschiedet sich dazu auch gleich mal. Bei dem Experimentiersender hat es sich damit ausexperimentiert, viel fiel den Verantwortlichen nach Wegfall der ersten Formatwelle auch nicht mehr ein und die für die Priv...äh...öffentlich-rechtlichen Sender so wichtige Quote blieb ja auch so niedrig, 0,1 % bei zdf.kultur, da muss man reagieren. Alte Menschen, die gerne ihre Fernsehgewohnheitsdaten weitergeben haben Deutschland im Griff, digitale Aufrufe zählen nicht. Dass das Fernsehen stirbt sieht man nicht, dass das Fernsehen mit solchen Kahlschlägen auch den letzten Interessenten verliert interessiert noch weniger. Zwar sollen die Eigenproduktionen gerettet werden, dennoch ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis zdf_neo auch seinem Bruder folgen wird. Sarah Kuttner wird mit Bambule auch nicht ewig den Sender halten können, dafür kosten aber ja immerhin alte Startrekfolgen weniger als Neuproduktionen.
Es bleibt festzuhalten, dass das zarte Pflänzchen von unverbrauchtem Kulturfernsehen wieder am eingehen ist, also schmieren Sie sich doch mal einfach wieder eine schöne Kotstulle und schauen Reich & Schön oder wie das heißt. Auf jeden Fall irgendwas, wofür man trotz Sparmaßnahmen noch genug Geld übrig hat.
RIP zdf.kultur
Freitag, 15. März 2013
Mittwoch, 6. März 2013
Martin Schüttler-Pelze und Restposten
... und Restposten
Immer mit der Absicht, meinen
musikalischen Hörerhorizont zu erweitern verschlug es mich kürzlich
in den ZKM-Museumsshop in Karlsruhe, welcher neben vielen
museumstypischen Bildbänden auch einige obskure CDs beinhaltet, bei
denen ich mir den Kauf einer solchen nicht verkneifen konnte. Die
Wahl fiel hierbei auf Pelze & Restposten des ehemaligen
ZKM-Dauergastkünstlers Martin Schüttler.
52:04 Minuten geht die gesamte
Werkschau und beginnt mit dem Stück „entnahme 1“, welches laut
der Heftbeilage mit den zwei anderen einminütigen entnahmestücken
einzelne Materialaspekte betrachtet. Anhören tut sich dies bei der
ersten Version wie eine Art Gong unter Wasser, dazu gesellt sich
seltsames Knarzen und etwas, das sich anhört wie Überdruck auf ein
verklebtes Ohr auszuüben. Auch ein langgezogenes elektronisches
Quaken zieht sich wie ein Gummiüberzug darüber. Erinnerungen an
nervige Lounges oder aber auch einen Teich am Morgen werden geweck,
auch wenn letzterer steril wirkt. Für mich ist hierzu zu sagen, dass
das gesamte Werk fast durchgehend eine gewisse Grundsterilität ausstrahlt.
Fremdartige Musik, die unzuordenbar sich in einem weißen Nichts
bewegt. Dass solche Gedanken bereits beim ersten Stück entstehen
kann dabei wohl durchaus gewollt sein, wenn man, wie das Beiheft
sagt, davon ausgeht, dass diese als Ouvertüren zu den einzelnen
Akten zu verstehen sein sollen.
Linked trips ist sodenn der Name von
Stück Nummer 2. Ein Violoncello wird anfänglich malträtiert und
bietet mit etwas, das an Glasorgel erinnert einen dunklen Anfang,
welcher mit Knarzen zu undefinierbarem hohen Gesang überleitet,
welcher sich alsbald wohl mit einer Flöte vermischt, ehe er abrupt
durch lautes Gehämmere mit Knarzen unterbrochen wird, um alsbald
jedoch wieder fortzufahren, um dann nach einiger Zeit wieder durch
Hämmern unterbrochen zu werden. Die Gesamtgestalt wird dennoch
ruhiger, auch wenn sich ab und an ein Knarzen in die Gesangspassagen
wagt und gesangsbegleitende Materialien, wenn auch ungeheuer
schmerzend hell, sich in das wilde Gehämmer mischen. Der Rest das
Titels fährt in diesem Sinne weiter so fort. Insgesamt wie auch
beschrieben eine immergleiche ansatzweise Mischung von Extremen, die
insgesamt trotz ruhiger Passagen ziemlich unruhig macht, muss man
doch immer damit rechnen mit einem Hammerinferno aus der Ruhe
gerissen zu werden.
Gänzlich angenehmer ist scheinbar der
etwas lang geratene Zitattitel „das mitleid ist die geißel der
menschheit, sherriff“ Lange, fiepige, aber ruhige Passagen erinnern
fast schon an etwas einfallslosen Ambient. Etwa ab der zweiten Minute
wird diese ganze Athmosphäre jedoch von einem immer anschwellenderen
Elektronengewitter überlagert. Insgesamt bietet dieses
Experimentalstück einen Krieg zwischen Vierkanaltonband und
Ghettoblaster, sofern der wohl ruhigere Teil vom Ghettoblaster kommt
ist dabei definitiv zu sagen, dass er chancenlos unterlegen ist, auch
wenn er noch zeitweise bewusst zu Wort kommen darf. Sofern bis zum
Abschluss des Mittelteils noch etwas von den Hörorganen übrig
geblieben ist, kann man die Ghettoblasterwiedergabe des
Ausgangsmaterials (einer defekten Audiodatei) sogar noch genießen.
Augenbildermusik soll angeblich das
Auftreten von Schemen, Bläschen und Verschwinden derer beim
Schließen der Augen in Gegenlicht vertonen. Dazu spielt fast ohne
Linie wild ein Akkordeon umher, wird gehämmert und hochfrequent
eine Art Spannungsbogen erzeugt. Insgesamt gibt es immer
Unterbrechungen, die darauf zurückzuführen sind, dass dieses Stück
eigentlich aus mehreren besteht. Insgesamt wirkt das ganze zuweilen
mysteriös, manchmal auch einfach unverständlich. Ich weiß nicht ob
ich so etwas in dieser Form darstellen würde. Tonal wirkt das ganze
wieder minimal und unruhig. Moderne Musik die mit Ambient anbandelt
und zumindest hier was die Elemente angeht immer sehr flüchtig ist,
wie wohl auch das, was sie optisch darzustellen versuchen.
Weiter geht das ganze mit entnahme 2,
welches ich hier ausdrücklich als Kopfhörertipp nahelegen möchte.
Klanglich kann man es wohl, zumindest aus meiner Sicht, als
Kurzschluss im Hirn darstellen, der mit einem Fiepen zum Schluss
ausläuft.
Dieses wird zu Beginn von taped &
low bit dann nochmal wesentlich hochfrequenter und schmerzhafter. Dem
schon harten Beginn gehen schnell noch aggressives Rauschen und eine
oder ein SängerIn zur Hand.Der Gesang fiept hoch mit Unterbrechungen
einen Text und wird mit ein und aussetzendem Rauschen zu einer
apokalyptischen Mischung. Eine tiefere Stimme kommt ebenfalls hinzu.
Kleinere ruhigere Passagen existieren zwar, allerdings zumeist nur um
dann noch aggressiver als zuvor fortzufahren. In der Mitte bildet gar
eine extrem schlechte Kaufhausmelodie diese Ruhepassage, bevor es
wieder extrem lärmend und extrem kitschigem Text weitergeht.
Insgesamt eine Aussage gegen eine lärmende Werbeindustrie, die darin
versteckt liegt, die keine wirkliche Ruhe findet. Gut möglich.
Vielleicht aber auch einfach nur eine heiße Liebschaft, die der
Groschenromantext auch hergeben könnte, mit musikalischen Elementen
ausgedrückt. Letztlich ist alles nicht so ganz klar
Die letzte Entnahme ist fast
durchgehend tief und erinnert enternt an die „Nachrichten“ aus
Kraftwerks Radio-Aktivität. Die Aussage, der Gedanke bleibt
zumindest mir etwas verschlossen...
Der Abschluss Gier ist zu etwa zwei
Dritteln ein Gemisch aus mit Klavier begleitetetem Murren und
unzufriedenen Jammern, das aus den Musikinstrumenten irgendwie
rausgequetscht wurde, unterbrochen, weitergeführt. Die Pausen werden
größer, am Ende verstirbt alles und eine ruhige, wenn auch düstere
Melodie klingt sehr langsam aus, bis nur noch ein leises Brummen
bleibt. Insgesamt ein ziemlich schroffes Klangerlebnis, das insgesamt
wohl auch ein Verlangen darstellen kann, eine ewige Suche, auf der
alles zerstört wird. Am Ende bleibt nur Leere und Erschöpfung.
Sicherlich eine mögliche Deutung. Dieses letzten Stückes von Pelze
und Restposten.
Fazit:
Pelze & Restposten ist ziemlich
sicher eine Veröffentlichung, die vom Musikrat gefördert werden
musste, ist das Produkt doch in gewisser Weise noch mutiger als
moderne Musik und gleichzeitig für wahrscheinlich fast jeden noch
schmerzhafter als Harsh Noise. Das Zielpublikum wohl am ehesten noch
Hipster an Musikhochschulen.
Musikalisch gibt es allerdings für den
Hörer, der sich auf das Erlebnis oder die Tortur, je nach Auslegung,
einlassen will einige sicherlich interessante Elemente zu entdecken,
alllerdings wird man damit als DJ nicht besonders weit kommen,
überschreitet für viele dieses Werk bereits die Grenze zwischen
Abfall und Schallwaffe.
Für mich persönlich ist das Album
definitiv eine gute Erfahrung. Favoriten, soweit ich sie benennen
kann sind dabei entnahme 2 und gier, in welches ich auch empfehle
hineinzuhören, wenn man bestimmen will, ob dieses Werk etwas für
sich selbst sein kann. Das Hörgefühl schwankt insgesamt zwischen
Atempausen und Unruhe und unerträglichem Gelärme. Ein akustisches,
50-minütiges Nasenbluten in normal rinnend bis zu dem von
Animecharakteren. Grausig, aber durch den Blutverlust schon wieder
geil.
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