Mittwoch, 6. März 2013

Martin Schüttler-Pelze und Restposten

... und Restposten


Immer mit der Absicht, meinen musikalischen Hörerhorizont zu erweitern verschlug es mich kürzlich in den ZKM-Museumsshop in Karlsruhe, welcher neben vielen museumstypischen Bildbänden auch einige obskure CDs beinhaltet, bei denen ich mir den Kauf einer solchen nicht verkneifen konnte. Die Wahl fiel hierbei auf Pelze & Restposten des ehemaligen ZKM-Dauergastkünstlers Martin Schüttler.

52:04 Minuten geht die gesamte Werkschau und beginnt mit dem Stück „entnahme 1“, welches laut der Heftbeilage mit den zwei anderen einminütigen entnahmestücken einzelne Materialaspekte betrachtet. Anhören tut sich dies bei der ersten Version wie eine Art Gong unter Wasser, dazu gesellt sich seltsames Knarzen und etwas, das sich anhört wie Überdruck auf ein verklebtes Ohr auszuüben. Auch ein langgezogenes elektronisches Quaken zieht sich wie ein Gummiüberzug darüber. Erinnerungen an nervige Lounges oder aber auch einen Teich am Morgen werden geweck, auch wenn letzterer steril wirkt. Für mich ist hierzu zu sagen, dass das gesamte Werk fast durchgehend eine gewisse Grundsterilität ausstrahlt. Fremdartige Musik, die unzuordenbar sich in einem weißen Nichts bewegt. Dass solche Gedanken bereits beim ersten Stück entstehen kann dabei wohl durchaus gewollt sein, wenn man, wie das Beiheft sagt, davon ausgeht, dass diese als Ouvertüren zu den einzelnen Akten zu verstehen sein sollen.

Linked trips ist sodenn der Name von Stück Nummer 2. Ein Violoncello wird anfänglich malträtiert und bietet mit etwas, das an Glasorgel erinnert einen dunklen Anfang, welcher mit Knarzen zu undefinierbarem hohen Gesang überleitet, welcher sich alsbald wohl mit einer Flöte vermischt, ehe er abrupt durch lautes Gehämmere mit Knarzen unterbrochen wird, um alsbald jedoch wieder fortzufahren, um dann nach einiger Zeit wieder durch Hämmern unterbrochen zu werden. Die Gesamtgestalt wird dennoch ruhiger, auch wenn sich ab und an ein Knarzen in die Gesangspassagen wagt und gesangsbegleitende Materialien, wenn auch ungeheuer schmerzend hell, sich in das wilde Gehämmer mischen. Der Rest das Titels fährt in diesem Sinne weiter so fort. Insgesamt wie auch beschrieben eine immergleiche ansatzweise Mischung von Extremen, die insgesamt trotz ruhiger Passagen ziemlich unruhig macht, muss man doch immer damit rechnen mit einem Hammerinferno aus der Ruhe gerissen zu werden.

Gänzlich angenehmer ist scheinbar der etwas lang geratene Zitattitel „das mitleid ist die geißel der menschheit, sherriff“ Lange, fiepige, aber ruhige Passagen erinnern fast schon an etwas einfallslosen Ambient. Etwa ab der zweiten Minute wird diese ganze Athmosphäre jedoch von einem immer anschwellenderen Elektronengewitter überlagert. Insgesamt bietet dieses Experimentalstück einen Krieg zwischen Vierkanaltonband und Ghettoblaster, sofern der wohl ruhigere Teil vom Ghettoblaster kommt ist dabei definitiv zu sagen, dass er chancenlos unterlegen ist, auch wenn er noch zeitweise bewusst zu Wort kommen darf. Sofern bis zum Abschluss des Mittelteils noch etwas von den Hörorganen übrig geblieben ist, kann man die Ghettoblasterwiedergabe des Ausgangsmaterials (einer defekten Audiodatei) sogar noch genießen.

Augenbildermusik soll angeblich das Auftreten von Schemen, Bläschen und Verschwinden derer beim Schließen der Augen in Gegenlicht vertonen. Dazu spielt fast ohne Linie wild ein Akkordeon umher, wird gehämmert und hochfrequent eine Art Spannungsbogen erzeugt. Insgesamt gibt es immer Unterbrechungen, die darauf zurückzuführen sind, dass dieses Stück eigentlich aus mehreren besteht. Insgesamt wirkt das ganze zuweilen mysteriös, manchmal auch einfach unverständlich. Ich weiß nicht ob ich so etwas in dieser Form darstellen würde. Tonal wirkt das ganze wieder minimal und unruhig. Moderne Musik die mit Ambient anbandelt und zumindest hier was die Elemente angeht immer sehr flüchtig ist, wie wohl auch das, was sie optisch darzustellen versuchen.

Weiter geht das ganze mit entnahme 2, welches ich hier ausdrücklich als Kopfhörertipp nahelegen möchte. Klanglich kann man es wohl, zumindest aus meiner Sicht, als Kurzschluss im Hirn darstellen, der mit einem Fiepen zum Schluss ausläuft.

Dieses wird zu Beginn von taped & low bit dann nochmal wesentlich hochfrequenter und schmerzhafter. Dem schon harten Beginn gehen schnell noch aggressives Rauschen und eine oder ein SängerIn zur Hand.Der Gesang fiept hoch mit Unterbrechungen einen Text und wird mit ein und aussetzendem Rauschen zu einer apokalyptischen Mischung. Eine tiefere Stimme kommt ebenfalls hinzu. Kleinere ruhigere Passagen existieren zwar, allerdings zumeist nur um dann noch aggressiver als zuvor fortzufahren. In der Mitte bildet gar eine extrem schlechte Kaufhausmelodie diese Ruhepassage, bevor es wieder extrem lärmend und extrem kitschigem Text weitergeht. Insgesamt eine Aussage gegen eine lärmende Werbeindustrie, die darin versteckt liegt, die keine wirkliche Ruhe findet. Gut möglich. Vielleicht aber auch einfach nur eine heiße Liebschaft, die der Groschenromantext auch hergeben könnte, mit musikalischen Elementen ausgedrückt. Letztlich ist alles nicht so ganz klar

Die letzte Entnahme ist fast durchgehend tief und erinnert enternt an die „Nachrichten“ aus Kraftwerks Radio-Aktivität. Die Aussage, der Gedanke bleibt zumindest mir etwas verschlossen...

Der Abschluss Gier ist zu etwa zwei Dritteln ein Gemisch aus mit Klavier begleitetetem Murren und unzufriedenen Jammern, das aus den Musikinstrumenten irgendwie rausgequetscht wurde, unterbrochen, weitergeführt. Die Pausen werden größer, am Ende verstirbt alles und eine ruhige, wenn auch düstere Melodie klingt sehr langsam aus, bis nur noch ein leises Brummen bleibt. Insgesamt ein ziemlich schroffes Klangerlebnis, das insgesamt wohl auch ein Verlangen darstellen kann, eine ewige Suche, auf der alles zerstört wird. Am Ende bleibt nur Leere und Erschöpfung. Sicherlich eine mögliche Deutung. Dieses letzten Stückes von Pelze und Restposten.


Fazit:

Pelze & Restposten ist ziemlich sicher eine Veröffentlichung, die vom Musikrat gefördert werden musste, ist das Produkt doch in gewisser Weise noch mutiger als moderne Musik und gleichzeitig für wahrscheinlich fast jeden noch schmerzhafter als Harsh Noise. Das Zielpublikum wohl am ehesten noch Hipster an Musikhochschulen.
Musikalisch gibt es allerdings für den Hörer, der sich auf das Erlebnis oder die Tortur, je nach Auslegung, einlassen will einige sicherlich interessante Elemente zu entdecken, alllerdings wird man damit als DJ nicht besonders weit kommen, überschreitet für viele dieses Werk bereits die Grenze zwischen Abfall und Schallwaffe.

Für mich persönlich ist das Album definitiv eine gute Erfahrung. Favoriten, soweit ich sie benennen kann sind dabei entnahme 2 und gier, in welches ich auch empfehle hineinzuhören, wenn man bestimmen will, ob dieses Werk etwas für sich selbst sein kann. Das Hörgefühl schwankt insgesamt zwischen Atempausen und Unruhe und unerträglichem Gelärme. Ein akustisches, 50-minütiges Nasenbluten in normal rinnend bis zu dem von Animecharakteren. Grausig, aber durch den Blutverlust schon wieder geil.

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