Seit dem Tag, an dem
diese Platte zu mir ins Haus gekommen war, habe ich versucht ein paar
Worte darüber zu verlieren und es ist mir bis auf ein paar wenige
Sätze über die erste von vier Seiten bis heute nicht gelungen. Und
diese paar Sätze sind auf irgendeinem Rechner gelandet, den ich
gerade nicht mehr ausfindig machen kann. Höchste Zeit also neu zu
beginnen!
Verschiedene Formen unterstreichen den hohen Anspruch des Projekts |
Doch worum geht es?
Syff002 ist nicht wirklich ein aussagekräftiger Titel, insbesondere
wenn man bedenkt, dass dieses Label erst eine 'richtige' andere
Veröffentlichung aufweist (siehe Link). Und doch hat man es hier mit
einem Dokument nicht nur der Gruppe Benoît and the Mandelbrots,
sondern einer ganzen Musikszene namens Live-Coding zu tun. Zumeist
mit Leben gefüllt auf sogenannten Algoraves steht dieser Begriff für
algorithmische Musik, die zumeist live vor den Augen des Publikums
als Visuals programmiert wird. Auch live gecodete Bilderfolgen können
dabei ein Teil der Performance sein.
Seit 2009 bildet die
hier vertretene Gruppe dabei einen elementaren Bestandteil dieser
Szene. Mittlerweile etwas verstreut und inaktiv, kann man nur von
Glück reden, dass hier ein Zeugnis dieser sonst nur live
anzutreffenden Musikform, abgelegt wurde. Wie es standesgemäß ist,
wurden dabei auch die auf der Platte vertretenen Stücke in
improvisierten Coding-Sessions erstellt.
Das erste dieser so
entstandenen Stücke trägt den Namen der Stadt in der Benoît and the Mandelbrots
entstanden und über die größte Zeit ihres Bestehens auch wirkten:
Karlsruhe.
Krrr tschhhh schrapschrappsproing |
Mit leichtem Tuten
und knarzen, das sich aus Schallplattenknistern herauskristallisiert
fängt das Stück an. Eine lauter werdendes Loungethema fließt aus
dem Hintergrund dazu und haftet als dauerhafte Ambientstimmung zur
Verbindung und Übertönung des Piepens und des Klackerns zwischen
Ratsche und Fahrradspeichen, welches im späteren Verlauf um
Geräusche wie fallende Steinchen ergänzt wird, bevor sich der Klang
hinter der wabernden Ambient-Soundwand stetig zurückzieht. Diese
wird dabei teils etwas schriller teils mit düsterem Timbre versehen
und bildet mit leichten Windspielglöckchen im Hintergrund das
bestimmende Motiv in der zweiten Hälfte, in der diese dann auch
träumerisch-nostalgischer und leichter, fast elysisch-erhaben
wirkt. Insgesamt ein sehr leichtes träumerisches Stück, das man
vielleicht am ehesten mit einem warmen Sommertag in der Fächerstad
assoziieren kann.
A |
Guritchi/ That did
it geht dem entgegen vollkommen ungelenk schnatternd los.
Glitchbassboxstimulanzien und gefühlte 1000 Sprungfedern, die
entfernt an das Intro von Bela Lugosi's Dead erinnen, erwarten den
Hörer zu Beginn. Ein rauschendes Stampfen tritt dazu wie von
überlasteten Rechnern und beschwört ein Inferno aus modularem
Geräusch und schreienden Industrienadeldruckern herauf, ehe das
Stück in diese Noisegewitter endet. Kurz gesagt eine entsprechend
des Titels Glitchvariante des Codemöglichen.
B |
Auf Seite B folgt
mit Tranceportation der Dance-Titel des Albums. Mit Stimulanzien, die
an Tropfen auf umgedrehte Plastikeimer erinnern, startet ein
mitreißender Track mit treibendem Beat unter Leitung einer
oszillierenden flächigen Leitmelodie über Höhen und Tiefen,
schnelle und langsame Fahrgewässer. In einem einlullenden Moment
übernimmt schließlich der Beat die Leitung und erinnert an die
Ravemusik des Kollegen und Labelchefs Dunard. Etwas wilder treibt der
Track mit einigen Rauscheblitzen und Beataneinanderreihung dem
Höhepunkt entgegen, nur um sich zwischendurch nochmal Zeit für
Pausen und Modulationsspielchen zu nehmen. Verfremdetes Zuggeheul und
Dampf machen das Warten auf den Drop unerträglich
und dieser kommt
denn auch nicht. Stattdessen sinkt der Track zurück ins nichts.
Nach einer Pause
kommt als Zwischenspiel lautstark anschwellendes Brummen, das in
Folge etwas gedämpft wird, aber mit Bearbeitung kratzende
Soundintervalle mit einem leichten Hauch vorbeiziehender Düsenjäger
bildet.
Auf Platte zwei
beginnt es recht düster kammermusikmäßig in Classic. Telefontuten
und ein Stil, wie man ihn vielleicht von experimentellen
80er-Jahre-Synthiegruppen kennt. Ein blubbernder Synthiesound
steigert sich stoppt und fängt von neuem an, wird lauter, löst sich
in einem
C |
Im Folgenden sehr
stressig und schnell geht Gurke voran. Kleine gestockte
Mikrogeräusche geben neben Helikopterartigem einen schnellen Schritt
vor unterdessen mit Meeresrauschen ein Tuka-Tuka-Rhythmus hinzukommt.
Von links, rechts, oben und unten geht so ein wildes Getrommel und
Flipper eine Symbiose ein. Die aufblitzenden Glitschschrittvorgaben
werden kratziger und schnarrender, das wild Potpourri stärker.
Einige Zeit treibt diese überfordernde Dengelei weiter ihr Unwesen,
bis frisch brechendes Glas im Vordergrund die letzten tiefen
Metalleinschläge zur letzten Ruhe begleitet. Noiseartig lebendig mit
Remniszensen an IDM lässt sich der Stil zusammenfassend noch am
ehesten beschreiben.
Grainface entwickelt
sich aus Drones wie aus der Höhle. Elektronische Zuckungen, wie Rufe
unbekannter Fledermäuse reihen sich ohne Pause aneinander, während
der Höhlendrone medi
D |
Als Outro:
Glockengeläut.
Als Download sind
noch weitere Titel anzutreffen, welche im Folgenden jedoch nicht
besprochen werden. Stattdessen soll der Versuch eines Fazits dieses
Albums unternommen werden. Ein nicht ganz so einfaches Unterfangen,
denn ein klassisches Album ist syff#002 sicherlich nicht.
Verschiedenartigste komplexe Soundkompositionen lassen kein Leitthema
oder übergeordnete Idee erkennen, klassische Übergänge zwischen
den Stücken sind schwer bis gar nicht auszumachen.
Trotzdem bietet
jeder Titel für sich eine anregende Reise in die digitale
Kunstklangwelt des Live-Codings, wobei die fehlende Gesamtidee zur
Stärke wird. Das Album bietet so nämlich einen Rundumschlag
dessen, was mit algorithmischer Musik geboten werden kann und ist so
hör- und erlebbares Dokument der sonst so flüchtigen Live-Szene,
das man sich ohne Reue in das heimische Regal holen kann: Musik zum
Musik erleben und Tranceportation als Part jedes guten DJ-Sets.
Sonstiges: Das Album
kommt als Doppel-Vinyl in aufklappbarem Packung mit
Live-Visual-Ästhetik versehen. Dazu gibt es einen innenliegenden
Downloadcode für die Tracks der Platte + Download-only tracks
(Achtung! Download ohne die Kurzen Endexperimentalstücke auf den
Seiten B und D).
Bestellbar ist die Platte augenblicklich auf der bandcamp-Sdeite des Labels sowie bei den dort aufgelisteten Shopseiten:
Syff
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