Die minimalen Terroristen von Brigade
Rosse, haben nach größeren Verzögerungen schon letztes Jahr ihr
zweites Album „Nachts am Fenster“ herausgebracht. Höchste Zeit
ein paar Worte über die Weiterführung dieses Projektes ein paar
Worte zu verlieren.
Beginnen tut das Ganze ein weiteres Mal
mit gesprochenen Worten zu einer Melodie die nun weitaus mehr Raum
bekommt, als dies bei dem Gefühl von Ulrike Meinhof noch der Fall
war. Unter Elektronengepiepse zu melancholischen, langgezogenen Tönen
wird repetitiv der Titel „Wir sind die Toten“ gesampelt. Ein
ungutes Gefühl schleicht sich bereits hier ein. Fragen entstehen,
wie lebt man heute, viel bitterer ist jedoch die Frage, wie geht die
Welt da draußen mit einer Schlussfolgerung um, dass es kein Leben
mehr gibt? Die Antwort die hier geliefert wird ist, sofern gewollt,
Gleichgültigkeit. Es ändert sich nichts und die Stimmen sind nicht
wütend, nicht traurig sondern emotionslos. Böse Zungen könnten
auch von einem willkürlich ausgewählten cool wirkenden Sample
ausgehen, was jedoch kaum der Anspruch der beiden Anonymen sein
sollte und auch sein wird.
Das folgende „Im Rausch“ ist dann
wohl auch zugleich der Titelsong des Albums, findet man sich doch nun
nachts am Fenster wieder. Zu Drumcomputer und getragenen Melodien
wird ein Grauen der Nacht angesprochen, das jedoch ncht wie gewünscht
„am Morgen verschwunden“ sein wird. Stattdessen geht es wohl um
Tristesse an jedem einzelnen Tag. Man sieht nachts was ist und wird
doch nicht aufhören dank einer Hoffnung, deren Enttäuschung am
nächsten Tag ein weiteres Mal betäubt wird. Natürlich ist dies
allerdings auch anders deutbar, denn die Texte bleiben gewohnt
minimalistisch und nebulös.
Mit traurigem Klang und Klavier wird
„Kein Feuer“ eingeleitet, ein Titel in dem Samples und eigene
Stimme sich zusammenschließen für einen Gesang über Leben ohne
Leben. Eine endlose Qual und ein Titel der den Hörer in ein
schwarzes Loch blicken lässt. Grausam schön.
Sehr minimal gehalten ist „Allein mit
Dir“, auch was die Akteure angeht, ist das Du hier offensichtlich
immer noch das eigene Ich. Vermutlich geht es aber um eine Entfremdung
von diesem. Elektronisch verzerrt wird dem eigenen Selbst
hinterhergeschmachtet. Die depressive Grundhaltung des Albums wird
auch weiterhin durchgehalten.
Sehr treibend bis fast tanzbar wird
dann die Röntenaugenmixversion (das Original ist noch nach dem
letzten Track zu hören). Thematisch geht man hier etwas zu
Entzauberung der Welt zurück. Eine bedrückende Analyse einer
verlogenen Welt. Der etwas schnellere Serpentremix gibt dazu auch
noch einen gewissen Schritt der Zeit-Touch, einer der besten Tracks
des Albums.
Danach folgt ein Sequel, dessen
Bedeutung ich immer noch nicht ganz einzuschätzen vermag, wirkt der
Satz doch auch wie abgeschnitten. Ansonsten findet man sich in einer
anscheinend überwachten Welt. Dass die angesprochenen Proletarier
nicht auf der Straße sind könnte auch ein Hauch von Kritik sein.
Man weiß es nicht, vielleicht macht das aber gerade den Charme
dieses Werkes aus.
Vermutlich wird es jedoch eher auf
Überwachung hinauslaufen und das Stück vielleicht auch aus 1984
entstammen, jedenfalls beschäftigt sich Puppe aus Luft doch
eingehend mit Kontrolle, wenngleich ich jedoch den Refrain immer noch
nicht verstanden habe, wird hier doch extremst mit Stimmverzerrung
gespielt, während der restliche Song angekratzt elektronisch mit
kleinen Melodiespielchen vonstatten geht.
Nochmal weitaus kratziger wird dann
„Weisses Rauschen“, dazu gesellt sich teilweise eine epische
Zusatzmelodie sonst gibt es etwas elektrisches Xylophon im
Hintergrund. Der Text wird hier zuweilen äußerst metaphorisch,
sodass zumindest mir sich der Titel inhaltlich über weite Strecken
entzog. Eine Automatisierung, weil Metall in den Adern pulsiert? Ich
weiß es nicht. Ich hoffe dass wenigstens die Macher das noch wissen
und nicht willkürlich irgendwelche Begriffe andeinandergereiht
wurden.
Weitaus verständlicher wird dann auch
wieder die Albumversion von „Tatort Neon“. Ein abgekapselter
Blick zu düsterer Melodie auf Feier- und Konsumkultur. Sogar
Kraftausdrücke werden erstmals verwendet und bieten eine verbitterte
Sicht auf den Mainstream. Ziemlich gut gemacht.
Der einzige englische Song „In every
Face“, scheint dann auch der einzige Song zu werden, den man wohl
als Lovesong beschreiben könnte, auch wenn die Liebe hier wohl eher
schon vorbei ist und am liebsten vergessen wäre. Düstere Melodie,
bedrückende Stimmung. Ebenfalls definitv überzeugend.
„Leben in Schwarzweiß“ hat man ja
bereits schon vom Livetape kennenlernen können und dennoch bleibt
der Text kryptisch. Eine Deutung ist dabei sicherlich ein
festgeschriebenes Leben, das die Träume nach und nach in den
Hintergrund rückt. Die Stimmung bleibt düster mit hellen Klängen,
die im Vordergrund aufflackern.
Der Psychic Force Remix von Im Rausch
macht den Titel dann zu einer industrialartigen Stampfnummer, nicht
so ganz das beste, was man machen konnte, würde ich meinen.
Das vorläufige Ende macht dann wohl
wieder ein 1984-Zitat und greift dabei nochmal den Beginn auf. Nach
längerer Pause kommt dann die ebenfalls gute Originalversion von
„Röntenaugen“, bevor ganz am Ende noch ein weiteres Sample kommt
und in die Leere schauen lässt.
Fazit:
Der Albumtitel lässt einen
distanzierten Blick auf das Leben vermuten, doch dem ist hier nicht
so. Es wird hereingestiegen in ein Leben in einer Gesellschaft, das
als Elend erkannt wird. So düster wie möglich wird versucht den
Feind, der für alles verantwortlich ist, zu packen und doch bleibt
dieser unbekannt. Man bleibt leer zurück nach Genuss dieses Albums
mit einem etwas unguten Gefühl in der Magengrube, dass hier etwas
nicht stimmt.
Musikalisch wird es etwas insgesamt weniger
kratzig als das Erstlingswerk, aber immer noch minimal.
Die Stimmen werden mehr verzerrt. Der Klang wurde etwas trockener.
Die minimale Alternative für all jene, denen welle: erdball zu
fröhlich sind, aber auch alleinstehend eine Perle der Szene und eine
Schande, dass bei 300 Stück, das Hauslabel noch immer Exemplare auf
Lager hat.
PS: Booklet enthält Zitate und Bilder, aber keine Texte
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