Vor ein paar Jahren
fing es an, im Zuge der Frage, ob und was man gemeinsam unternehmen
könnte erwähnte ich halb im Spaß einem Freund gegenüber das erste Audiotraumafest. Das
Label hatte ich eigentlich nur durch Sonic Area gekannt, den ich
einmal für das AKK in Karlsruhe gebucht hatte und wollte zufällig davor
nachschauen, was dieses Label sonst noch macht, wobei gerade zu dieser Zeit Tickets für
die erste Ausgabe verkauft wurden. Für etwas über 60€ gab es das
volle 2-Tage-Programm inklusive Hostel inmitten der Prager
Innenstadt. Mein Freund hatte dann tatsächlich auch Bock und so
fuhren wir damals.
Ich bin bis heute
kein wirklicher Festivalfan, die Fahrt ist weit, Geld muss gewechselt
werden, man ist im Ausland und muss seine Sprachskills wieder
schärfen.
Es war nun das
dritte Audiotraumafest, ich war das dritte Mal dort.
Warum? Weil es
passt. Coole Leute, tolle Stadt und ein Line-Up das von hypnothisch
sphärisch bis völliger Elektroindustrialwand alles liefert, was man
sich erträumen kann. Über die zwei Tage Festival im Club Nová
Chmelnice will ich im folgenden Text gerne ein paar Worte verlieren:
Freitag
Etwas nach 18:00 Uhr
schlendern wir entspannt in den Club und wechseln die Tickets um in
Bändchen. Im Hauptsaal versuchen Menschen noch einen Beamer
aufzuhängen. Die Halle ist noch leer, was DJ K.oz nicht davon abhält
bereits aufzulegen. Dezente Beats stimmen auf den Abend ein und so
langsam strömen ein paar Leute herein, während schon Aleph mit
flüssigem Übergang den DJ an den Pulten beerbt und seinen
Liveauftritt beginnt.
Sehr ruhig gehalten
wird vollelektronisch Musik zusammengesetzt. Sehr smooth das ganze,
ja hypnotisch würde man fast meinen. Das Ganze bat nicht auf die
Tanzfläche, versuchte auch erst gar nicht wie normale Warm-Up-Bands
das Publikum anzuheizen. Stattdessen saß man auf den wenigen
Stühlen am Rand und konnte sich des Gefühls nicht erwehren an der Bar zu sitzen
und sich ruhig den Tag durch den Kopf gehen zu lassen. (Achtung! Kein Vergleich mit Musik, die in Bars gespielt wird)
Danach übernahm
r.roo und hatte ich nach Hören des Albums Shilly Shally, das
äußerst ruhig und unterkühlte elektronische Musik bot, jetzt eine
noch weitere loungisierung des Abends erwartet, war dieses Set tatsächlich
überraschend warm und in Teilen tanzbar. Zu hören war guter Minimal
Electro, mit teils lustigen Passagen, die etwas an Leierkastenmusik
auf Jahrmärkten erinnerte und ihren Teil zu diesem überaus
interessanten Set beitrugen, das mit sehr reduzierten Mitteln sehr viel erreichte.
Das Duo Ex_Tension,
welches im Anschluss auftrat hatte mit mit einem Keyboard und Synthesizer mehr Technik auf die Bühne gebracht. Zu hören
waren etwas härtere Beats in rhythmischer Manier, angereichert durch
einige Noise- und Halleffekte, die der Keyboarder beisteuerte.
Vielleicht schon als EBM bezeichbar, kamen hier jedoch immer
Nuancenänderungen und Effekte dazu, die das ganze nie zu stumpf
wirken ließen. Etwas irritierend waren die etwas ausschweifenden
Gesten und Gepose der beiden, insbesondere des Keyboarders, sobald
eine Pause an den Geräten möglich schien, was bei der Qualität der
Performance allerdings verzeihbar war. Eine Fanbase, die das
goutierte gab es den Reaktionen entsprechend zudem vor Ort.
Mit Architect war im
Anschluss einer der großen Namen des Festivals am Start. Meine
Erwartungen waren dennoch nicht allzu hoch, auch weil ich nicht allzu
viel im Vorfeld davon gehört hatte, aber deutscher Industrial allzu
oft in meinen Augen aus stumpfem langsamen Techno ohne besonders viel
Abwechslung bestand. Zum Aufbau wurde denn auch der Beamer in
Position gebracht, der allerdings später als der Architekt sein
Video vorstellen wollte nicht funktionierte. Ob das am Gerät oder an
einem anscheinend neu hinzugekommenen Balken, der mitten im
Lichtstrahl hing lag, war als Außenstehender schwer nachzuvollziehen.
Mit aufgebaut wurden
auch zwei massive Bodentrommeln und ich sah meine schlimmsten
Befürchtungen schon bestätigt, spätestens als der Bass laut
ertönte und der Bass den ganzen Saal zum Vibrieren brachte. Was dann
jedoch geschah waren Breaks, Verzerrungen, Scratches und
Live-Remixqualitäten des eigenen Werks allererster Güte. Mit wenig
Mitteln legte Architect einen euphorisierenden Auftritt hin, mit
einer Bühnenperformance voller Lebendigkeit, die nicht zuletzt auch aufgrund des Körperbaus überraschte.
Lieder wurden unterbrochen und neu gestartet mit neuer Bearbeitung,
die Trommeln wurden beinahe in die Knie gezwungen und all das sorgte
dafür, dass es eben nicht einschläferndes Gewummer, sondern
vitalisierender Noize (mit z) wurde und mit einer der besten Acts
des Festivals.
Gleiches lässt sich
aus meiner Sicht von Moaan Exis (soll das mehr als moan axis oder
moan(ing) excess gedacht sein?) nicht behaupten. Zwar hatten diese
sicher eine gute Grundausstattung mit Synthie und einem vollen
Drumset, das sie auch zu bedienen wissen. Dem monotonen Geprügel,
das aus beiden Tonerzeugern kam, konnte ich allerdings auch beim
letzten Mal bereits nichts abgewinnen. Dass der Beamer streikte
bewahrte den Zuschauer in dieser Ausgabe vielleicht auch vor den
repetitiven Pornokaleidoskopen, welche das letzte Mal genauso
einfallslos die ganze Zeit in Dauerschleife liefen. Vielleicht
braucht man da einen besonderen Zugang, wenn man den Vibe spürt, es
gibt ja durchaus eine Fanbase, doch immer dann wenn Kunstpausen
waren, oder vielleicht mal eine Änderung, eine Bereicherung des
Sounds angemessen gewesen wäre, war die Antwort doch stets nur lauter und
heftiger weiterzuprügeln. Und auch Moaan Exis sparten nicht am
Gepose mit ihren nackten Oberkörpern, im Gegensatz zu Ex_Tension
aber wesentlich weniger gerechtfertigt.
Und dann war noch
ein großer Name im Rennen: Ambassador21. Hatte ich im Vorjahr noch
zu Elektrodauerfeuer von Illegal Trade abgespackt, war diesmal das
Hauptprojekt zu Gast. Mit Gitarre und Schlagzeug als Verstärkung zur
Elektronik, wurde ein düsteres Gewitter stampfender elektronischer
Musik abgeliefert, zu gesprochen-geschrienen Lyrics. Am ersten Abend,
zugegebenermaßen leicht überfordernd nach einem ausgedehnten Lauf
durch die Prager Innenstadt, aber überfordernd muss dieser Stil ja
auch sein. Das bekamen sie auch gut hin. Die paar Minuten, die ich
dann mithalten konnte waren auch äußerst befriedigend. Ein Auftritt
voller Energie, Kraft und, man sollte es nicht meinen, auch
Musikalität.
Zu den Klängen von
DJ Paradroid, der durchaus nicht schlecht war, ging es zurück gen
Hostel.
Samstag
Diesmal etwas später
hineingekommen, bekam man noch etwas von DJ S. Alt mit, der als Herr an
den Decks die meiste Zeit mit den Händen hinter dem Rücken stand.
Mehr brauchte der Großmeister des ant-zen Labels auch nicht für ein ansprechendes Set
aus Industrial.
Den Abend eröffnet
im Anschluss Amesha Spenta. Die elektronische Musik mit einem
ordentlichen Schuss Orient versetzt, bot eine Wohltat für die Ohren.
Dabei war die Live-Performance, was das elektronische anbelangt recht
reduziert, da allem Anschein nach außer dem gelegentlichen Starten
von Presets nichts geschah. Das erklärte sich jedoch alsbald, als
zur Gitarre gegriffen wurde und mit virtuosen Walls of Sound eine
Symbiose mit den Klangstrukturen aus dem Computer geschaffen wurde.
Ein guter Einstieg in Abend zwei.
Was dem folgte,
toppte das ganze aber noch einmal spielend. Mit Atonalist war ein Duo
anwesend, deren Musik genau der Grund ist, weshalb das Audiotrauma
Fest so eine gute Adresse ist. Hier gibt es noch Klangkompositionen
im Bereich der Unterhaltungsmusik, die tatsächlich noch neu und
unverbraucht klingen. Im Falle von The Atonalist wurde mittels
Bassklarinetten, Saxophon, Gitarre und Trompete die Klangfassade, die
aus Ambient, Drone, Industrial und auch mal Noise bestand ergänzt.
Ebenfalls vom Band kam die Stimme Gavin Fridays. Wie das
zusammenpasste, wird man in Schriftform kaum erkennen können.
Funktioniert hat es allerdings sehr wohl. Ein Groove zwischen
moderner E-Musik, Free Jazz und treibender elektronischer Rhythmik
und Arhythmik. Eine Erfrischungskur für Geist und Körper
gleichermaßen und für mich auch der beste Act des gesamten
Festivals. Wenn man es noch nicht getan hat, sollte man sich diese
Gruppe unbedingt einmal anhören.
Übertreffen konnte
das die im Anschluss spielende Ecstasphere dementsprechend nicht. Im
Gegenteil war es schwer einen Zugang zu finden. Zwischen Industrial und
IDM wurde versucht zu wandeln, aber es wirkte gleichzeitig so, als
habe man von allem zu viel auf einmal gewollt. Lyrics, halbgares
Gitarrenspiel, Synthesizer und zwischendrin Stampfpassagen, was allles allzu oft wie zufällig hingewürfelt wirkte. In schlechten Momenten
wirkte es so, als wäre man auf dem 0815 Cybergothfloor aufgewacht.
Andere Momente wirkten dann, als hätte man einen nicht so guten
Remix von Sonic Area-Stücken vorgenommen. In der zweiten Hälfte war
ansatzweise Potential erkennbar, aber überzeugend war dieser
Auftritt nicht, wenn auch besser als Moaan Exis.
Auch keinen
wirklichen Zugang wollte mir zu dem Duo Cardinal Noire gelingen. Zwar
brachten diese eine solide elektronisch-experimentale Basis für
ihren vordergründigen Stampfbeat zustande, auf den geschrien wurde.
Einen etwas hölzernen Eindruck vermied dies aber nicht, auch nicht,
dass der Auftritt dann doch einige Längen mit sich brachte.
Das war hingegen bei
den folgenden Chrysalide wie auch die letzten beiden Male nicht der
Fall. Ich weiß nicht, ob ich persönlich jemals wirklich mitgegangen
bin. Und auch dieses Mal, schaute ich mir das ganze auch wieder vom
Rand an, während die Kernband von audiotrauma aufdrehte. Erst mit
dem klassischen Intro „Who's still alive“ und „Traders must
die“, danach wild durch das Schaffen hindurch. Geshoute und Harsh
Electro der allerbesten Sorte, klassisch verschmierte Gesichter und
eine Meute, die in völlige Ekstase geriet, ließen das dann
allerdings auch von außen ein ziemliches Spektakel werden. Eine
brutale Soundkulisse, gepaart mit den ersten Crowdsurfingeinheiten
von Arnaud Coeffic bis zur Bar am anderen Ende des Saales machten aus
der Performance ein umschmetterndes Kraftpaket.
Das Finale boten
Horskh mit einiger Verspätung nach dem Intro, was aufgrund der Länge
der Pause wohl eher technische Störung als Kunstpause war. Mit
Schlagzeug und oberkörperfreiem Trommler sowie einer Person am
Synthie ausgestattet, boten sie ein ähnliches Bild wie Moaan Exis,
zeigten allerdings auch, wie man so etwas dann in gut aufziehen kann.
Zwar gab es auch hier ein elektronisches Brett vor den Latz geknallt
und gab der Trommler alles, aber immer um Abwechslungsreichtum bemüht
und aufgelockert durch Lyrics. Eine Zuschauerschar, die noch einmal
alles gab und den Sänger in Akkordarbeit auf Händen trug, waren der
Dank dafür. Etwas übertrieben wurde es allerdings, als fast die
Ausrüstung des angestammten Audiotrauma-Filmers bei einer
zuschauerinternen Surfaktion in die Brüche ging. Kratzig, Harsh und
beatbetont gestaltete sich so die letzte Runde des
Auditraumafestivals. Horskh boten definitiv einen würdigen
Schlusspunkt unter eine ganze Reihe bemerkenswerter Bands.
Danach gabs
allerdings noch etwas Aftershowgetanze zu DJ 141. Hatte dieser beim
letzten Audiotraumafest noch das Pech aufgrund der zu früh beendeten
Warm-Up-Party stehts auf den nächsten Tag vertröstet zu werden und
so am Ende komplett ausfiel, durfte er dieses mal endlich sein Können
unter Beweis stellen. Breakcore und Drum'n'Bass standen dabei auf dem
Speiseplan, der tatsächlich noch einmal einige müde Knochen
aufleben ließ, bevor es dann auch aus Rücksicht auf die am nächsten Tag folgende Heimfahrt etwas vor Schluss zurück zum Hostel ging.
Fazit
Zum Abschluss bleibt
zu sagen: Wieder ein herausragendes Festival, selbst wenn nicht alle
Acts überzeugten, bei solch einer Anzahl von Acts ist das auch
aufgrund von Geschmacksunterschieden nicht auszuschließen. Es war
unterhaltend, hat vielen Projekten eine Bühne geboten, die sonst
nicht Mainstream genug sind und es hat neue Perspektiven auf populäre
elektronische Musikgenres geworfen, bei denen man allzu oft wirklich
progressive Abwandlungen vermisst. Ich hoffe jedenfalls auf eine
Neuauflage im nächsten Jahr und auf viele coole Releases dieses
Labels bis dahin. Ohne Audiotrauma würde eindeutig etwas fehlen.
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