Sonntag, 19. März 2017

Opa Jott-On Fleek

Der Künstler, dessen Debut ich nun ein paar Worte widmen will, ist ein umtriebiger Geselle. Bei jeder Gelegenheit infiltriert er leere leere Räume um sie zu Begegnisstätten mit Kunst zu machen. Die Rede ist von Jörg Hartmann, der sich vornehmlich im universitären Umfeld Karlsruhes durch sein Seminar für experimentelles Schreiben, und als Kurator der Präsentationsabende eben dieses unter dem Titel „KITeratur“ einen Namen gemacht hat. Ist er zufällig gerade nicht damit beschäftigt, erlebt man ihn auch mal als Opa Jott, wenn verquere Lyrikfetzen auf funky-groovige Musik treffen, auf facebook: Selten. Was der Großvater nun wirklich hinter seinem weißen Schleierbart versteckt hält, wird indes nun auf diesem Album präsentiert, bei der nicht zuletzt auch diese Rezension Teil der Werbekampagne ist. Für fleißige opatreue Hofberichterstattung winkt jedem/r Vorab-RezensionsverfasserIn nämlich ein persönlich beklebter USB-Stick mit dem Album. Allein schon deshalb sollte niemand diese Rezension ernst nehmen, denn hier wird geballte Propaganda unters Volk gemischt, Erwartungen hochgeschraubt, kurz: Die Nachfrage gestärkt, alles nur, damit Herr Dr. Jörg Martin Hartmann genug Geld für sein inzwischen schon drittes Speedboat auf sein Konto scheffeln kann. Und das natürlich völlig zurecht, wie Sie nun gleich lesen können werden, denn so ein Album haben Sie bislang noch nicht erlebt. Rap wird nie mehr das selbe sein und Sie werden sich grämen und Knirschen in der erlöschenden Glut der Abgehängten, wenn Sie nicht dieses Album kaufen werden. Doch nun ein paar Worte dazuzum Album:

Was sich durch das Album als vielleicht sogar einziger Faden zieht ist Style. Und das hat in diesem Fall nichts mit Gangsterimage, Verschwörungstheorien à la Prinz Pi oder Doubletimerap nach Kollegah-Art zu tun. Dieses Album und Opa Jott beweisen hier grundlegend andere Qualitäten. So überraschen die „Beats“ hier mit Komplexität, Atmosphäre und Ideen, ja, stehen eigentlich sogar im Vordergrund, während sich die sanfte Stimme des Opas als Begleitung dazugesellt, sehr prominent etwa in den Stücken Zeitlos, Nacht oder Geistertanz zu belauschen, welche allerdings auch nur die ruhigeren Vertreter dieser Sprach-Melodie-Symbiose sind und was, wie man dann etwa in Pump hört, auch etwas aktiver geht.

Doch das ist natürlich nicht die einzige Komponente dieser Albummischung. Denn wo Style ist, ist Swag nicht weit und schon weiß man, welche Art von Wortschatz man vorfinden wird. Denglisch, Jugendsprech und HipHop-Fachbegriffe, sind zwar bei weitem nicht derart häufig wie beim Wiener Original, dafür wohlgesetzt an den denkbar ungeeignetsten Stellen, so wird tief einfühlsam gedancet in Clubnacht, wird upgeturnt in Baem mit extra Schnappatmung und die Eisbiene ist fly. Beispiele gibt es wie Sand am Meer und jene leiten auch in den letzten bestimmenden Faktor:

Denn dieser ist ein überbordernder kreativer Humor, der sich nicht nur an groben Themen wie dreieinhalb Minuten Abfeiern des Kindereisbechers Eisbiene mit Technoeinlage, Vampirgeschichten oder der Junkienummer Dämonen festmachen lässt, sondern auch an einzelnen Textstellen, wenn etwa der Mond ins Ghetto kracht, wenn an seinem schwarzen Blick gesippt wird, man wie Gneis im Sommer glänzt, die Beine Dr. Sommer kennen oder ein Assoziationsspiel zum Hardcore Pumperbattlerap inklusive Aerobicsound stilisiert wird.

Es wird an allen Enden etwas geboten, meist mit einem einem ironischen Augenschlag, bei dem man gar nicht davon auszugehen braucht, dass dies jedermanns Sache ist, denn ob man nun die Textbilder und Witze akzeptiert und sich mitnehmen lässt oder in Fremdscham ob der Attitüde von Opa Jott versinkt, wird sicher manchen bei Hören der Klänge umtreiben und vermutlich nicht allzu viel von der Öffentlichkeit als Publikum übrig lassen. Oder zumindest nicht so, dass eine Mehrheit sich dazu bekennt. Will man Referenzen aufzählen wird es auch recht einsam, denn trotz Anleihen an der Glow Up Dinero Gang und Texten über Affären, Style und Drogen wird hier sanfter und mit mehr Raffinesse gearbeitet, auch wenn die eigentlichen Rapskills dabei nicht herausstechen. Opa Jott wirkt wie ein Fremdkörper im Genre und will man den weiten Bogen schlagen, so wirkt ihm etwa ein Andreas Dorau, der nun auch schon über drei Jahrzehnte mit Nichtgesang über Trottellummen, Flaschenpfand oder das Leersignal am Telefon seinerseits an den Rändern des Popgenres entlanghangelt, gar nicht so unähnlich.


In diesem Sinne: Ein Album, dass sicher für manch heitere Stunden sorgen kann, wenn man sich nicht zu eitel dafür ist und erst recht nicht irgendeine ominöse Rapkultur sauber halten will. Denn das hier ist Sprechgesang, Gesangssprech, kurz, Fake-Rap, in Reinform. Dazu muss man auch für Humor hart an der Schmerzgrenze empfänglich sein, wer aber mit Money Boy, Andreas Dorau oder auch bspw. Tomas Tulpe etwas anfangen kann, wird wohl auch hier auf seine Kosten kommen.

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