Dienstag, 5. November 2019

Noize Of Life 2019 - Nachbericht

Nach dem audiotrauma fest und dem re:flexions Festival stand am Wochenende vom 24. bis 27.11. das dritte und definitiv größte Festival des Jahres für mich an. Für mich sollte es dank eines Gästelistenplatzes für ein auch sehr gutes Dorau-Konzert am Donnerstag, erst am Freitag beginnen.

Ankunft


Am Donnerstag ging es um kurz vor zwei nur noch ins Hotel, dessen Eingangstür ich möglicherweise etwas unterschätze. Ein Gast aus dem dritten Stock meldete sich, stellte Fragen von oben vor den Hauseingang, wie die, ob man alleine unterwegs sei und erklärte, er würde am nächsten Morgen mir irgendetwas zeigen. Ich dachte noch, dass die Lautstärke ein Problem sein könnte, nachdem er mir unterstellte dreimal statt zweimal zum Zimmer gelaufen zu sein, bot an, darauf zu achten ruhiger zu sein, aber sein Interesse daran war anscheinend nicht sehr ausgeprägt, genauso wenig wie die Frage, ob er mit seinem angestoßenen Dialog nicht selbst wiederum andere Gäste stören könne. Eine liebreizende Begrüßung im schönen Mannheim. Mit dem Hintergedanken einer lehrreichen Vorlesung am nächsten Tag schaute ich dennoch kurz beim Connexion Complex vorbei, ob die Party noch am Laufen war. Sie war es leider nicht. Also zurück ins Hotel und ins Zimmer um noch eine Runde zu schlafen.

Der Freitag


Freitag kurz nach 6 Uhr abends. Ich verließ das Hotel. Dem Menschen vom Vorabend war ich nicht begegnet, vermutlich habe ich verschlafen, wie das halt im Studium teils nicht allzu anders war mit dem ersten Block. Zeit zum Bedauern blieb aber keine, das NOL wartete. Dachte ich und dann wartete doch ich: Der Einlass verzögerte sich. Kurz darauf war Stromausfall, lauschte man eben Geschichten von anderen in der Schlange, auch interessant.
Immerhin vor 19 Uhr ging's dann rein. Mit Getränkegutschein als Entschädigung und kurz darauf einem Gin Tonic in der Hand. Während des letzten Soundchecks nutzte ich die Zeit den Merchmarktplatz zu durchstreifen und die üblichen Verdächtigen zu grüßen.

Nach dem Lösen letzter technischer Schwierigkeiten konnte [basementgrr] starten. Ich hatte gewusst, dass dieser Act zum Raumklang-Label gehörte, das ich mit äußerst ruhigen sphärischen Releases im Gedächtnis hatte, die rhythmische Elemente, wenn, dann auf einem Level betrieben, das konform zur Nutzung als Hintergrundbeschallung und Pausenmusik war. Entsprechend überrascht war ich auf etwas härtere Beats zu treffen, nahezu tanzbar, aber auch mit ruhigen und komplexen Passagen verwoben. Insgesamt ein äußerst ansprechender Start in den Abend, auch hinsichtlich der Visuals auf zwei Leinwänden hinter den Künstlern, welche fast bühnenfüllend waren.

Nach kurzem Gang auf den Dancefloor folgte TE/DIS. Ein Einzelprojekt, das reduzierte Hip Hop Beats mit düsterem Grundsound verbindet und mit Spoken Word mischt. Die vornehmlich tristen Fotos in schwarz-weiß und einer Ästhetik verlassener Orte sollten mich dabei so wenig wie die nicht sonderlich wortgewandt wirkenden Englischfetzen, die ich mitbekam (müsste man vielleicht nochmal nachlesen) oder die ganze auf die Theatralik der angeblich bedeutungsschwangeren Texte abzielende musikalische Gestaltung überzeugen. Ergo Zeit zum Shoppen (Überraschung in der Grabbelkiste des Luidsprekers: Eine Charles Lindbergh n.e.V.-CD, geil!) und für einen Wechsel auf den Tanzflur mit geschmackssicheren DJs. Beim nochmaligen Durchlaufen der Halle wurde stoisch bei jeder vollen Note auf die Digitaldrum gehauen. Diese Spannung, diese Emotionalität hielt ich nicht aus und machte Pause an der frischen Luft.

Danach S.K.E.T.. Nettes Gewummer, angeraute Sounds in schnellem Tempo. Es waren weithin Strukturen des Drum 'n' Bass erkennbar, die von einem stampfenden Grundbeat überlagert wurden, der auch ältere Semester der Rhythm'n'Noise Szene zufriedenstellen dürfte. Die Halle hat sich inzwischen einigermaßen gefüllt, das Duo auf der Bühne heizte zu Visuals aus Liniennetzplänen ordentlich ein. Tanz und Dauerapplaus waren der Lohn. Insgesamt ein Auftritt, auf den auch ich mich einlassen konnte. S.K.E.T. sind sicher nicht der bewusstseinserweiternde Act, der Grenzen sprengt, aber einer der Spaß machte, ohne zu sehr zu posen.

Nachdem ich dies in mein Notizbuch gekritzelt hatte folgten auch schon Synapscape. Rauschen, Beats, Soundscapes in fast orchestraler Art und Weise und verzerrte Stimmen. Gefühlt war das Set etwas druckvoller unterwegs als bei meiner ersten Begegnung mit dem Projekt auf dem audiotrauma fest. Feste Industrialbeats erschallen, Stampfen ohne Unterlass wie man es vom Werk erwartet, aber auch IDM-Titel sind mit eingesprengt oder Ausflüge zu Tribal werden zwischen Kreischen an der Schmerzgrenze und Noisegeballer unternommen. Eine beste Repräsentation dessen was Rhythm'n'Noise ist und sein kann. Rückblickend daher verwunderlich, dass sich der Auftritt nicht nachhaltig eingebrannt hat

Ob man etwas zu Iszoloscope vs. Mike Goedrijk sagen muss? Künstlerisch ist der Auftritt sicherlich nicht in besonderer Weise erwähnenswert. Verarbeitet wurden so ziemlich alle elektronischen Tanzmusikgenres mit einem etwas angerauhten Touch, der etwas wie Harsh Goa entstehen ließ. Dazu dann noch eine Coverversion von Gonna make you sweat (Everybody dance now) und Posieren, als ob man David Guetta wäre. So schlimm das klingt, Spaß hat das trotzdem gemacht: Mir und vielen anderen. Und wenn das der Weg ist, den man gehen will, dann sollen sie eben. Vielleicht nur der Hinweis, das mit solch einem Set auch mehr als das Abklappern der üblichen Szenefestivals möglich ist.

Nach dem Genuss eines Green-Burgers bestehend aus gebratenen Auberginen und Avocadocreme ging es zum letzten Act zurück. Mono No Aware spielte bereits. Der Bass hämmerte hart rhythmisch-arhythmisch. Kleinere Spielereien entwickelten die einzelnen Titel etwas, bei denen klar wurde, weshalb das Projekt bei HANDS unter Vertrag ist. Endlos scheinendes Rumpeln - maschinell wirkend - das sich in den Geist einbrennt und dabei über die Zeit ganz eigene Melodien produziert. Anstatt mit wippenden Füßen wie bei Udo Wiessmanns Winterkälte, wurd versucht eine Energieübertragung zum Publikum nebst der Musik durch das Medium nackter Oberkörper anzugehen. Und tatsächlich war hohe Energie angesagt. Als letzter Act des Abends ballerte Mono No Aware das Publikum bettreif. Vorne wurde getanzt, hinten wurde gewogt, während die Boxen gaben was noch ging.

Ich war danach reichlich fertig. Dieses Projekt zum Schluss war um diese Uhrzeit eigentlich schon zu viel. Da fiel mir auch erst am nächsten Tag auf, dass auf den Flyern ja eigentlich noch Noisuf-X stand. Ich kam auch ohne ihn gut aus. Über die zu später Stunde geöffnete DnB-Party lief ich einmal kurz und verschwand wieder: Schlafen, die Putzfrau des Hotels wollte um 11 putzen.


Der Samstag


Wieder machte der Generator vor dem Einlass schlapp und an diesem Tag sollte es nicht das einzige Mal bleiben.
An diesem Nachmittag weihten Syntech die Bühne ein und boten in etwa das Gegenteil dessen, was ich tags zuvor beim Start erwartet hatte. Oder das gleiche, aber aus einer anderen Erwartungshaltung heraus? Statt dem erwarteten harten Industrialgewitter wird es sphärisch einnehmend, wobei basslastiges Maschinengestampfe natürlich nicht ausbleibt. Ein guter Start, wo ich nur einen mäßigen erwartet hatte. Dieser Sound wirkte etwas komplexer und überlegter als noch bei den früheren Alben von Syntech.

Die danach performende Gruppe Mago hatte ich bisher nicht auf dem Schirm, sie wusste allerdings zu überzeugen. Die Mitglieder nahmen sich dabei zugunsten einer vor ihnen aufgebauten Leinwand für Visuals zurück. Auf dieser wurden Filme in schwarzweiß abgespielt. Ambient-Noise war angesagt, eine gewisse theatralische Dramaturgie nicht ausgespart. In die vollen Soundscapes woben sich die Lyrics, mal lauter, mal murmelnd vorgetragen, in vorbildlicher Weise ein. Technische Fertigkeiten zeigten sich in einer andauernd variierenden Klangkulisse. Hoffentlich eine Gruppe von der in Zukunft noch mehr zu hören sein wird. Einziges Manko: Auf dem DJ-Floor agierte zur gleichen zeit Dirk Geiger mit ebenfalls ruhigen Klängen. Hier hätte man den Timetable sicher besser setzen können.

Für danach hatte sich ant-zen-Labelchef Stefan Alt mit brother in crime als SALT angekündigt. Mit einem mit Tonabnehmer versehenen Cocktailshaker war dieses Projekt auch das erste (Donnerstag ausgespart, da ich darüber nichts sagen kann) Projekt, das bei der Klangerzeugung etwas unkonventioneller zu Werke ging. Ein etwas an Musique Concrète erinnerndes Intro, währenddessen das Künstlergetränk (Gin Tonic?) gemischt wurde, stellte auf ein Set ein, das für Gourmets elektronischer Musik gedacht war. Feine frisch klingende Rhythmiken, Soundscapes, Sprachsamples aus Fernost, wenig tanzbar, aber umso schöner. Mit Fiepen, Bass, Beats und Ambient war alles dabei, was den Geist erweckt und dann... Stromausfall zwei des heutigen Tages. Applaus, Restart und ein restliches Set, das nun natürlich auf einer Pause statt der geleisteten Vorarbeit aufbauen musste. Es gelang halbwegs und schloss mit einer etwas rohen Variante des SALT-Klassikers Fear of Yellow. Merken tat man solch eine Unterbrechung bei solch einem durchdachten Projekt aber stark.

Nach ordentlicher Aufbaupause sollte Beinhaus spielen. Viel hatte ich von dieser Gruppe gehört und doch auch wieder nicht. Der wenige Klang, der an meine Ohren gedrungen war, traf nicht ganz meinen Geschmack, war aber auch nicht allein das Entscheidende. Auf der Bühne standen Rohre, Blech, Schrott, Plastiktonnen, Maurerkellen – das musste die Faszination des old school Industrial gewesen sein. Was ich sah, war eine Show, die allerdings nicht so sehr wie die Vorbilder des Genres auf Wut, sondern mehr auf NDW und Dada aufbaute (und einem Laptop mit Vibrationsproblem). Arhythmisch gedroschenes Blech, minimale Lyrics, teilweise drastisch, teilweise mit Humor. Dazu eine funkenschlagende Flex, deren glühende Erzeugnisse auf die nackten Oberkörper ihres Bedieners und anderer Bandmitglieder trafen. Publikumsinteraktion stand auch auf dem Programm: Scheppernd wurde durch die Meute gegangen, ihnen Drumsticks zur Mitgestaltung überlassen. Wilde und doch kalkulierte Störungen des Erwartbaren und Industrialbeats wie sie klassischer nicht sein könnten machten dies zu einem äußerst aparten Erlebnis.

Nette Entdeckung beim Shopping danach, das wohl noch offiziell unveröffentlichte Album 2 von SALT war bereits erhältlich, einmal mit Kunstdrucken und Download und einmal mit Vinyl. Ant-zen wird die Tonträger also auch nach Blac Kolors Nephi nicht ganz los. Ich holte mir Kunstdrucke mit Download und hinterlegte sie am Merchstand. (Rezension davon folgt möglicherweise)

Der nächste Act erforderte nämlich etwas Körpereinsatz: Es war Blac Kolor. Dieser 1-Release- HANDS-Act, der digital dann doch noch zusätzlich bei sich oder ant-zen oder a+w releast, war bereits bei der letzten Ausgabe dabei – als einer der besseren Acts wohlgemerkt. Und leider mit einer Überschneidung mit end.user, wenn das Gedächtnis nicht täuscht. Diesmal gab es sowas nicht mehr, eine der besten Neuerungen des Festivals. Geboten wurden zwar keine allzu großen Überraschungen, dafür mehr als solider düsterer Techno. Entsprechend dessen wurde der Saal auch ordentlich in Tanzlaune versetzt. Und was durfte dabei nicht fehlen? Natürlich: Stromausfall N°3. Inzwischen war das Technikteam eingespielt. Nach wenigen Minuten lief die Elektrik wieder und es konnte weitergehen. Der Grafiker auf der Bühne heizte nun gefühlt doppelt so stark ein und bekam das NOL tatsächlich nochmal in Stimmung. Von den Befürchtungen die im Podcast zum Lauter Krach Festival geäußert wurden, nämlich ein Schattendasein nach Beinhaus zu fristen, blieb nichts übrig.

Nach etwas Wartezei kam mit Ah Cama-Sotz to Gatto Nero wohl einer der bekanntesten Altvorderen des Festivals. Ich hörte mir etwas den Stampfbeat mit Melodie dahinter an: Gefällig. Und das war das Problem. Dazu: Stromausfall Nummer vier, yay. Ich beschloss meine Kunstdrucke zu holen und machte einen Abstecher zum Hotel, sodass ich pünktlich zum Schluss des Konzerts wieder da war. Zum Abschied von der Bühne schunkelten die Menschen hinter dem Raumklang- und audiophob-Stand: Sie wussten was abging. Ich applaudierte dennoch artig bei meiner Wiederkunft.

Was jetzt noch folgte war Esplendor Geometrico. Ich war etwas raus aus dem Flow, wechselte zwischen den Floors. Die etwas stumpf wirkende Monotonie mit seltenen Vocaleinsprengseln wirkte auf Anhieb nicht sonderlich reizvoll. Und Udo Wiessmann als DJ war ein starker Konkurrent. Entsprechend war der Dancefloor tatsächlich gut gefüllt. Ich lauschte und kehrte doch wieder zurück zum Liveact, tanzte ironisch etwas mit und als der Kreislauf wieder in Gang war doch ernsthaft. Aus Sedierung wurde Hypnose. Dazu Visuals von Massenvolkstänzen aus Kaukasien oder dem nahen Osten. Bis auf kurze Sekundenaussetzer der Beamer blieb man dieses Mal von Technikfehlern verschont. Nachdem es diesmal sogar Zugaben gab, dankte ich mit Applaus und verzog mich auf den Dancefloor von Wiessmann und später auf die für Gäste des NOL nun auch geöffnete Techno-Party. Props an die Djs Dave Phillips (nicht der musique concrète Mensch) und through the night oder so, die geschmettert haben, während unten der Retronaut in der Spätschicht den klassischen Techno auflegte.
Um kurz vor zwei Uhr hatte ich ausgefeiert, Zeit zum Schlafen für den Hotelcheckout.

Der Sonntag


Der Sonntag begann früh. Nach dem Mittagessen bei einem thailändischen Restaurant mit Butzenglasfenstern und ausgebleichter Aushängekarte ging es zurück zum MS Connexion Complex, bei dem Mirko vom audiopho-Label als Spherical Disrupted das Line-Up des Tages anführte.

Sphärisch, mit seltenen Beats untersetzt, wurde zu Filmen der NASA die Space Night begangen. Trotz kraftvoller Musik lag eine tiefe Ruhe im Set, welches unter Unterstützung einer Klangschale ein- und ausgeleitet wurde. Ein Set, das gefangen nahm auf eine leichtere Weise als es der teils düstere Klang vermuten lässt. Am Ende wechselten die Visuals zu Konsequenzen des Klimawandels. Ob das nicht zu spät war (höhö), bleibt ungeklärt.

Man kann mir sagen, was man will, aber der wohl herausragendste Act des Festivals waren Kaffee und Kuchen. Die Kaffeetafel rief und alle kamen sie herbei, dass diesmal nicht ein Schluck Kaffee und ein Stück Kuchen für den Kaffee und den Kuchen bleiben sollte. Die diesmal in orangem Krepp eingewickelten Meister des Krachs, Botschafter der Liebe in Windelhöschen und Springerstiefeln, nahmen es mit Humor und zerschmissen eben was sonst noch auf der Kaffeetafel stand, rieben die Kontaktmikros an allem was ging, warfen die Stahlfässer, die sonst als Tische dienten umher unter den teils ungläubigen, teils amüsierten Blicken des Publikums, das sich dafür eingefunden hatte. Eine erneute Energieleistung, die den Ausbruch aus der Biederkeit der Kaffeetafel und allem Möglichem zelebrierte. Allein, es hätte noch lustiger sein können, hätte man sich weniger gekannt und weniger erwartet. Doch immerhin für genug Menschen war es eine sicher unvergessliche Erfahrung.

Das Projekt Haus am Rand, das dem in der Halle folgte versuchte mit tiefen getragenen Beats, Drones und Hall auf der Stimme einen sakralen Charakter zu schaffen. Das wirkte auf den allerersten Eindruck ergreifend, aber dann auch wieder schnell ermüdend. Interessant wurde das ganze wieder in dem Moment in dem dieses Konzept verworfen und auf Noisegefrickel, Bass und Hall als Kompositionsmittel gesetzt wurde. Damit wurden Sounds eindringlich, bekamen durch den langsamen Grundbeat eine besondere Tiefe, aber auch durch stoßartiges Hauchen des Sängers. Alpine Grenzenlosigkeit und Gefahr schwang mit in einem auf Emotionalität setzenden Set. Dass einem die Messe am Ende schon zu kurz vorkam ist nicht verwunderlich, auch wenn mit der Klangmacht etwas auf die Herzschmerzkarte abgezielt wurde, wie man es vom Kino kennt.

Stampfende Rhythem im Wechsel mit ruhigen experimentellen Passagen. Dass dies das Set von config.sys prägen würde konnte man zu Beginn denken. Wer aber dachte, dass dieses schwer zu erfassende Intellektualprogramm eine Fortsetzung fände sah sich ab etwa dem ersten Viertel des Sets auf die Plätze verwiesen. Knicklichtgeballer übernahm, was manche Teile des Saals goutierten, andere nicht. Insgesamt in meinem Resümee ein recht unspektakulärer Auftritt.

Die Müdigkeit von zweieinhalb Tagen Programm setzte nun verstärkt ein, was Sanctum möglicherweise eine schlechtere Wertung einhandelt, als sie es verdient haben. Die Vierergruppe bot ordentlich Elektronik auf den Tischen (Pedale), Synthie, Laptop und einer Reibeisenstimme. Mit einigen Klangflächen und Noises gefüllte Lücken zwischen langsamen Bassabsonderungen hätten das ganze interessant wirken lassen können, was bei mir aber nicht so ankam. Daran änderten auch einige aufgerauhte Beats mit Gegrowle nichts - dass der Boden bebte machte es nicht mitreißender. Auch wenn die Gruppe ihre Fans gefunden zu haben schien, war es ob der ähnlich wirkenden Strukturen der Tracks eher gleich dem Durchhören der Best of DAF. Das Finale des Sets bot ein punktgenau platzierter, bombastischer Stromausfall.

Nach dadurch verlängerter Pause trat Imminent auf die Bühne und verschwand kurz darauf wieder: Im Nebel. Bekannt war mir das Projekt durch unterkühlte, rhythmische Klänge vom Projekt humanoides Problem. Solo war dies offenbar nicht ganz wofür der Name steht. Harter Techno mit schnellen Sounds, minimalen Wechseln einzelner Elemente: Tanzbar, aber intelligent genug nicht in die Cybergoth-Ecke zu fallen. Das Noise Of Life wurde gefühlt zum ersten Mal an diesem Tag richtig zum Leben erweckt. Kaum jemand blieb noch still stehen, inklusive des hochaktiven Lichttechnikers, der sich dank fehlender Visuals endlich einmal austoben durfte. Am Zustand der Ekstase ändert auch ein weiterer Stromausfall nichts mehr. Imminent spielte weiter und dank anhaltendem Applaus gab es sogar noch die erste Zugabe des Abends, die ausgiebig gefeiert wurde. Rückblickend der beste Act des Sonntags, natürlich nach Kaffee und Kuchen versteht sich.

Es folgte der Soundcheck für Trepaneringsritualen. Eine gefühlte halbe Stunde wurden die Pauken gecheckt. Zeit für den Tanzflur. Ich kam rein: Stromausfall auf dem Tanzflur. Also galt es weiter die Zeit totschlagen, zuschauen wie letzte Checks gemacht wurden. Die Räucherstäbchen neben der aufgestellten Bühnendekoration, die aus Schädel und Kerzenständer bestand, bedufteten bereits den Saal. Ganz klar, wenn erst einmal der Star des europäischen Industrial Ritual aufspielt würd es evil werden - Ob bei 5 Jahren aufnahme + wiedergabe in Berlin oder eben in Mannheim. Blutsack über dem Kopf, angerußter Drummer, Nebel: Es ging los. Getragener Ambient vom Band und gelegentlicher Einsatz der Drums, vor allem aber die absolut zerstörte Stimme des Frontmannes, mal gehaucht, mal geshoutet, was hier wie gegrowlt klang, ließen das ganze eindringlicher wirken als gedacht. Etwas, das bei den meisten Projekten dieser Art nicht funktioniert, sei es weil die Stimme vollkommen überzogen verzerrt wird, Gestiken übertrieben werden oder sich Geräuschen bedient wird, nur um ihrer Wirkung auf ungeschulte Ohren wegen oder man sich gar der Gruselkammer von vor 90 Jahren bedient. Hier stimmten Präsentation und Sound (und vermutlich auch Text?) überein und bildeten ein organisches Gesamtbild. Gegen Langeweile wurde es in späteren Teilen, nachdem auch der Kopfsack abgelegt worden war auch etwas lebendiger. Ist Trepaneringsriualen zwar immer noch kein Act für meinen Geschmack, kann man doch attestieren, dass wenn man in diese Ritual /Martial /Okkult-Richtung gehen möchte, man sich sicher an diesem Projekt ein Beispiel nehmen kann. Da wird vieles richtig und wenig falsch gemacht.

Zu From Andreas Davids to Xotox kann ich nicht mehr allzu viel sagen, da aufgrund anhaltender Müdigkeit der Abend bald nach Beginn für mich beendet war. Es bleibt als erwähnenswert vielleicht nur festzuhalten, dass anstatt auf schnöden Cybergoth in diesem Set mehr auf Lyrics und eine kahle Soundkulisse gesetzt wurde. Das schien sich zum Zeitpunkt des Verlassens der Halle etwas zu wandeln, womit dann allerdings der Zeitpunkt der Heimfahrt recht gut getroffen war. Die „F***IN* NOISIEST TIME“ meines Lebens, womit der Noize of Life-Flyer geworben hatte, hatte ich da auch so schon hinter mir.

Fazit


Aber was heißt das? Das NOL hatte sich angeschickt die Rolle des eingestellten Maschinenfests zu übernehmen. Ich habe die Chance leider nie ergriffen dieses Festival zu besuchen, aber laut Aussagen einiger Anwesender hat das NOL diese Nachfolge nicht ganz antreten können, vor allem hinsichtlich der Besucherzahlen, die hoffentlich ausreichten eine weitere Ausgabe zu rechtfertigen. Insgesamt war dies aber ein recht ansehnliches Festival, mit, wie ich gehört habe, einem qualitativ hochwertigen Donnerstag bei dem, wenn ich gekonnt hätte, mindestens Aphexia mitnehmen hätte wollen und natürlich einem vollen Hauptprogramm, das für die verschiedenen Geschmäcker des Noi(s|z)e-Genres ordentlich etwas bot. Besonders für mich hervorzuheben Imminent, Kaffee und Kuchen, Salt, mago, Spherical Disrupted und [basementgrrr] sowie die Visuals, die von Carsten Stiller verantwortet wurden und für ein funktionierendes Gesamtset einen guten Teil beigetragen haben.

Weiterhin gut getan gegenüber der letzten Ausgabe hat die Entzerrung des Programms auf vier Tage, sodass die 1-Tages-Rosskur mit sich überschneidenden Acts diesmal dankenswerterweise ausblieb. Auch das Programm wirkte dieses Mal attraktiver: Größere Namen, aber auch qualitativer wirkende Acts. Exemplarisch ha man eher langweilig wirkende ach so böse Acts wie Chaos Cascade oder MDS51 rausgeworfen und für diese Fraktion mit Trepaneringsritualen immerhin einen Act geholt, der das richtig macht. Auch sonst gab es weniger an klassische Tanzformate elektronischer Musik angelehnte Acts sowie weniger Cybergoth, was grundsätzlich zu begrüßen ist, auch wenn einzelne Acts wie end.user oder Shorai im letzten Jahr ordentlich Laune gemacht hatten. Man hätte vielleicht auch noch ein paar audiotrauma-Acts dazuholen können: Ein Label, das ich sowohl von den Künstlern als auch vom Merchstand vermisst habe und das wohl, wie kurz nach dem NOL zu lesen war, bis nächstes Jahr seinen Betrieb eingestellt haben wird.

Was die Stromprobleme angeht, sind diese hoffentlich auf dieses Wochenende beschränkt gewesen aufgrund Netzstörungen des Stromversorgers. Immerhin wurde es durch die Notstromversorgung durch Dieselgeneratoren dann doch irgendwie zum Maschinenfest.

Summa summarum war das Noize of Life 2019 ein Fest, für das ich gerne Zeit und Geld gegeben habe und das so in Zukunft wohl wieder tun würde. Großen Dank dafür an alle Beteiligten, die für die Ausrichtung zuständig waren, insbesondere da investierte Arbeit sich in diesem Bereich nicht zwingend bezahlt macht.

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