Freitag, 24. April 2020

Bombenglöckchen: Thomas Park und Bells In The Shadow Of The Bomb


photo by Dan Penschuck (feindesign.de)
design by EMERGE
Auch wenn nicht verständlich, so doch zumindest neu, ist jenes, was das Label attenuation circuit des Schwaben Stadlmeier herausbringt, womit es dem Dienst an der Kunst mehr gerecht wird, als wenn nur der Musik allein gefrönt würde.

Ein Digitalrelease aus dem März mit Röhrenglockenspiel, vielleicht Wassergläsern, Flaschen und Kuhglocken, oder deren Simulation vielleicht durch Granites und Holzelementen, ist das im Titel genannte Werk, das sich über 10 Kompositionen zieht.

Der Beginn dessen wird dabei durch einen stumpfen, monotonen Hauptklang wie von einer Kuhglocke, oder vielleicht gar einer echten Bombenglocke, wie sie teilweise kurz nach dem zweiten Weltkrieg verwendet wurden als alle echten Glocken eingeschmolzen worden wareen, eingeleitet. Dieser Grundton zieht sich durch das gesamte erste Stück, während feine Röhrenglöckchen erklingen und Passagen, die mehr an Wasserglasspiele erinnern, als auch manche Hall- oder Nachklangeffekte, im Hintergrund das ganze zusammenweben.
Etwas gespenstisch wirkt das ganze, menschenentleert. Assoziationen zum umherschwingenden Windspiel, nach oder eben kurz vor dem Bombeneinschlag, wenn die Straßen schon geleert sind oder sich nicht mehr füllen werden, werden geweckt, wobei ursächlich dafür, man bedenke das Warnsignal, nicht nur durch der Titel ist.

Das zweite Stück nimmt sich leicht kindlich melancholisch aus. Mit echten, wohl heruntergeregelten, Kirchenglocken, wird neben durchweg neu angeschlagenem Glockenklang eine Spieluhr das bestimmende Thema sein. Der sakrale Charakter durch die Glocken lässt dies wie ein Requiem wirken, auch wenn es in Teilen meditativ-klösterlich anmutet, insbesondere mit ein paar schellenartig angeschlagenen Glöckchen (oder Gläsern).

Auf diesen meditativen Charakter geht Bomb Bells 3 dann auch tiefer ein. Die spieldosenartige Musik wird langsamer, Glöckchenpulsare branden auf, schwellen ab, verlieren sich in einem Seufzen, das eher an Transrapid denn an Glockenspiel erinnert. Das Tempo der Wiederholungen wird dabei stetig langsamer, die Lautstärke nimmt ab, was den meditativen Charakter unterstreicht, aber auch droht den Hörer mit in Apathie und Schlummer zu ziehen.

Die nächste Komposition nimmt das Thema des vorigen Titels zunächst auf und entwickelt sich aus der Stille dadurch, das darüber nun Klimpern kleiner Glöckchen gelegt wird, das die Gedanken des Hörers eher zerstreut, einzelne Elemente, die Motive von Licht oder Wassergluckern einbringen, werden dazwischengesetzt. Insgesamt wird eine gewisse Grundspannung und Gereiztheit erzeugt, die eine Erwartungshaltung induziert.

Diese wird mit nun vor allem auf schwereren echten Glocken und Viehglocken basierenden Grundelementen fortgeführt, mit einzelnen Zwischenelementen wie dem Hellen Röhrenglöckchendurchspielen. Insgesamt gesehen erscheint es so als würde auf Strukturen der elektronischen Tanzmusik zugegriffen und deren Rezept zum Höhepunktentgegenfiebern genutzt. Ein gewisser Rhythmus lässt sich, wenn man sich genug anstrengt, deutlich erkennen.

Fast zart geht es erhaben weiter mit einigen Schüttelglöckchensounds, die eher an Feiern, Rituale erinnern, während im Hintergrund scheinbar wild weitergeklimpert wird. Einige Ambient-Sounds wie vom Glasblasen gesellen sich im späteren verlauf des Stückes dazu und bilden etwas wie eine Choreinlage. Der wohl bisher hellste und freundlichste Titel des Albums.

Denn danach wird es wieder sehr ruhig bis bedrückend, obwohl der Klangschalencharakter des Meditativen stets mitspielt. Wabernde Glockennachschwingsounds und Holzgeklöppel wirkt zusammen mit Schellen, wobei durch das durch das Holz erzeugte Tropfgeräusch das Ganze wie im Untergrund wirkt, vielleicht ja wie im Luftschutzbunker, in dem mit ein paar Schellen der Alarm aus- oder hereinklingt, wenn die Türen sich nochmal kurz öffnen.

Grillenartiges Zirpen ist der Start des nächsten Stücks. Der Alarmklang aus dem ersten Stück kehrt wieder, während leichtes Glockenspiel und an eine Grotte erinnerndes Wassertropfen im Hintergrund spielt. Man atmet die Ruhe vor dem Sturm, während etwas wie ein Becken nun eine Rolle zu spielen scheint, das leicht mit Metallstäbchen angespielt zu werden scheint, vielleicht auch eine Triangel, und sich versetzt zum Alarmtakt nach Aufkommen ebenfalls bis zum Ende monoton durchzieht. Ein Begrüßungstusch?

Diese beiden Sounds retten sich auch in den vorletzten Teil des Werks, bei dem der Hauptalarm etwas mit Nachklang plärrt, ja kratzt, einige überraschend helle und sanfte eingespielte Elemente lassen die Stimmung lieblich erscheinen trotzdem man in manchen Teilen den Anklang von Flugzeugmotoren zu hören glaubt.

Das Finale startet äußerst reduziert mit äußerst hellen Glockensounds, bevor der Alarm wieder einsetzt, auch mit Kavernensound mit Holzglockengetröpfel. Vom Hauptthema ausbrechende Hintergrundspielereien, die den Sound sanfter machen sind hier sehr reduziert bis nicht vorhanden, wodurch die Grundstimmung finsterer und drängender wird. Erst im letzten Drittel lassen sich wieder ein paar kindlichere Spielereien hören, doch so leise unmarkant, dass sie mehr wie eine blasse Erinnerung wirken. Erkennbar wird vor allem , dass man hier wieder beim Grundthema des Beginns angelangt ist.

Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass Bells In The Shadow Of The Bomb mögliche Assoziationen zu brachialen Kriegssounds, einstürzenden Glockentürmen, panischen Warnsignalen, etc. ins Leere laufen lässt. Zwar lässt es diese Motive nicht ganz außen vor, bewegt sich jedoch, wenn man das Bild denn bemühen will, eher im Motiv der Ruhe vor dem Sturm.
Ergebnis ist eine Extended-Windspiel-Edition, die naturnah, menschenleer-kalt, arhythmisch, meditativ und teilweise gar göttlich wirkt. Sehr leicht verliert man sich darin, bisweilen ist es gar einlullend, was das Hörerlebnis nur um so schwerer macht, da die Konzentration stets abzudriften droht. So leicht die Klänge wirken, ein leichtes Album ist dies nicht. Ein ansprechendes allerdings schon und wohl selten bekommt man diese Glockenfixierung so dargeboten, dass man sich fragt, ob dies wirklich alles Glockensounds waren und wenn ja, womit sie erzeugt wurden. Als Pay-what- -you-want sicher eine Obskurität, der man ein Ohr widmen kann, wenn man bereit ist, wenn nicht Geld, so doch zumindest seine Zeit zu investieren.

Und wer weiß, vielleicht hat man dann schon den Soundtrack für den Shutdown der zweiten Coronawelle in den Ohren.

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