photo by Dan Penschuck (feindesign.de)
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Auch wenn nicht
verständlich, so doch zumindest neu, ist jenes, was das Label
attenuation circuit des Schwaben Stadlmeier herausbringt, womit es
dem Dienst an der Kunst mehr gerecht wird, als wenn nur der Musik
allein gefrönt würde.
Ein Digitalrelease
aus dem März mit Röhrenglockenspiel, vielleicht Wassergläsern,
Flaschen und Kuhglocken, oder deren Simulation vielleicht durch
Granites und Holzelementen, ist das im Titel genannte Werk, das sich
über 10 Kompositionen zieht.
Der Beginn dessen
wird dabei durch einen stumpfen, monotonen Hauptklang wie von einer
Kuhglocke, oder vielleicht gar einer echten Bombenglocke, wie sie
teilweise kurz nach dem zweiten Weltkrieg verwendet wurden als alle
echten Glocken eingeschmolzen worden wareen, eingeleitet. Dieser
Grundton zieht sich durch das gesamte erste Stück, während feine
Röhrenglöckchen erklingen und Passagen, die mehr an
Wasserglasspiele erinnern, als auch manche Hall- oder
Nachklangeffekte, im Hintergrund das ganze zusammenweben.
Etwas gespenstisch
wirkt das ganze, menschenentleert. Assoziationen zum
umherschwingenden Windspiel, nach oder eben kurz vor dem
Bombeneinschlag, wenn die Straßen schon geleert sind oder sich nicht
mehr füllen werden, werden geweckt, wobei ursächlich dafür, man
bedenke das Warnsignal, nicht nur durch der Titel ist.
Das zweite Stück
nimmt sich leicht kindlich melancholisch aus. Mit echten, wohl
heruntergeregelten, Kirchenglocken, wird neben durchweg neu
angeschlagenem Glockenklang eine Spieluhr das bestimmende Thema sein.
Der sakrale Charakter durch die Glocken lässt dies wie ein Requiem
wirken, auch wenn es in Teilen meditativ-klösterlich anmutet,
insbesondere mit ein paar schellenartig angeschlagenen Glöckchen
(oder Gläsern).
Auf diesen
meditativen Charakter geht Bomb Bells 3 dann auch tiefer ein. Die
spieldosenartige Musik wird langsamer, Glöckchenpulsare branden auf,
schwellen ab, verlieren sich in einem Seufzen, das eher an Transrapid
denn an Glockenspiel erinnert. Das Tempo der Wiederholungen wird
dabei stetig langsamer, die Lautstärke nimmt ab, was den meditativen
Charakter unterstreicht, aber auch droht den Hörer mit in Apathie
und Schlummer zu ziehen.
Die nächste
Komposition nimmt das Thema des vorigen Titels zunächst auf und
entwickelt sich aus der Stille dadurch, das darüber nun Klimpern
kleiner Glöckchen gelegt wird, das die Gedanken des Hörers eher
zerstreut, einzelne Elemente, die Motive von Licht oder
Wassergluckern einbringen, werden dazwischengesetzt. Insgesamt wird
eine gewisse Grundspannung und Gereiztheit erzeugt, die eine
Erwartungshaltung induziert.
Diese wird mit nun
vor allem auf schwereren echten Glocken und Viehglocken basierenden
Grundelementen fortgeführt, mit einzelnen Zwischenelementen wie dem
Hellen Röhrenglöckchendurchspielen. Insgesamt gesehen erscheint es
so als würde auf Strukturen der elektronischen Tanzmusik zugegriffen
und deren Rezept zum Höhepunktentgegenfiebern genutzt. Ein gewisser
Rhythmus lässt sich, wenn man sich genug anstrengt, deutlich
erkennen.
Fast zart geht es
erhaben weiter mit einigen Schüttelglöckchensounds, die eher an
Feiern, Rituale erinnern, während im Hintergrund scheinbar wild
weitergeklimpert wird. Einige Ambient-Sounds wie vom Glasblasen
gesellen sich im späteren verlauf des Stückes dazu und bilden etwas
wie eine Choreinlage. Der wohl bisher hellste und freundlichste Titel
des Albums.
Denn danach wird es
wieder sehr ruhig bis bedrückend, obwohl der Klangschalencharakter
des Meditativen stets mitspielt. Wabernde Glockennachschwingsounds
und Holzgeklöppel wirkt zusammen mit Schellen, wobei durch das durch
das Holz erzeugte Tropfgeräusch das Ganze wie im Untergrund wirkt,
vielleicht ja wie im Luftschutzbunker, in dem mit ein paar Schellen
der Alarm aus- oder hereinklingt, wenn die Türen sich nochmal kurz
öffnen.
Grillenartiges
Zirpen ist der Start des nächsten Stücks. Der Alarmklang aus dem
ersten Stück kehrt wieder, während leichtes Glockenspiel und an
eine Grotte erinnerndes Wassertropfen im Hintergrund spielt. Man
atmet die Ruhe vor dem Sturm, während etwas wie ein Becken nun eine
Rolle zu spielen scheint, das leicht mit Metallstäbchen angespielt
zu werden scheint, vielleicht auch eine Triangel, und sich versetzt
zum Alarmtakt nach Aufkommen ebenfalls bis zum Ende monoton
durchzieht. Ein Begrüßungstusch?
Diese beiden Sounds
retten sich auch in den vorletzten Teil des Werks, bei dem der
Hauptalarm etwas mit Nachklang plärrt, ja kratzt, einige
überraschend helle und sanfte eingespielte Elemente lassen die
Stimmung lieblich erscheinen trotzdem man in manchen Teilen den
Anklang von Flugzeugmotoren zu hören glaubt.
Das Finale startet
äußerst reduziert mit äußerst hellen Glockensounds, bevor der
Alarm wieder einsetzt, auch mit Kavernensound mit
Holzglockengetröpfel. Vom Hauptthema ausbrechende
Hintergrundspielereien, die den Sound sanfter machen sind hier sehr
reduziert bis nicht vorhanden, wodurch die Grundstimmung finsterer
und drängender wird. Erst im letzten Drittel lassen sich wieder ein
paar kindlichere Spielereien hören, doch so leise unmarkant, dass
sie mehr wie eine blasse Erinnerung wirken. Erkennbar wird vor allem
, dass man hier wieder beim Grundthema des Beginns angelangt ist.
Insgesamt lässt
sich wohl sagen, dass Bells In The Shadow Of The Bomb mögliche
Assoziationen zu brachialen Kriegssounds, einstürzenden
Glockentürmen, panischen Warnsignalen, etc. ins Leere laufen lässt.
Zwar lässt es diese Motive nicht ganz außen vor, bewegt sich
jedoch, wenn man das Bild denn bemühen will, eher im Motiv der Ruhe
vor dem Sturm.
Ergebnis ist eine
Extended-Windspiel-Edition, die naturnah, menschenleer-kalt,
arhythmisch, meditativ und teilweise gar göttlich wirkt. Sehr leicht
verliert man sich darin, bisweilen ist es gar einlullend, was das
Hörerlebnis nur um so schwerer macht, da die Konzentration stets
abzudriften droht. So leicht die Klänge wirken, ein leichtes Album
ist dies nicht. Ein ansprechendes allerdings schon und wohl selten
bekommt man diese Glockenfixierung so dargeboten, dass man sich
fragt, ob dies wirklich alles Glockensounds waren und wenn ja, womit
sie erzeugt wurden. Als Pay-what- -you-want sicher eine Obskurität,
der man ein Ohr widmen kann, wenn man bereit ist, wenn nicht Geld, so
doch zumindest seine Zeit zu investieren.
Und wer weiß,
vielleicht hat man dann schon den Soundtrack für den Shutdown der
zweiten Coronawelle in den Ohren.
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