Montag, 12. Februar 2018

Audiotrauma Fest 2k18 - Eindrucksverarbeitung

Vor ein paar Jahren fing es an, im Zuge der Frage, ob und was man gemeinsam unternehmen könnte erwähnte ich halb im Spaß einem Freund gegenüber das erste Audiotraumafest. Das Label hatte ich eigentlich nur durch Sonic Area gekannt, den ich einmal für das AKK in Karlsruhe gebucht hatte und wollte zufällig davor nachschauen, was dieses Label sonst noch macht, wobei gerade zu dieser Zeit Tickets für die erste Ausgabe verkauft wurden. Für etwas über 60€ gab es das volle 2-Tage-Programm inklusive Hostel inmitten der Prager Innenstadt. Mein Freund hatte dann tatsächlich auch Bock und so fuhren wir damals.

Ich bin bis heute kein wirklicher Festivalfan, die Fahrt ist weit, Geld muss gewechselt werden, man ist im Ausland und muss seine Sprachskills wieder schärfen.

Es war nun das dritte Audiotraumafest, ich war das dritte Mal dort.

Warum? Weil es passt. Coole Leute, tolle Stadt und ein Line-Up das von hypnothisch sphärisch bis völliger Elektroindustrialwand alles liefert, was man sich erträumen kann. Über die zwei Tage Festival im Club Nová Chmelnice will ich im folgenden Text gerne ein paar Worte verlieren:


Freitag


Etwas nach 18:00 Uhr schlendern wir entspannt in den Club und wechseln die Tickets um in Bändchen. Im Hauptsaal versuchen Menschen noch einen Beamer aufzuhängen. Die Halle ist noch leer, was DJ K.oz nicht davon abhält bereits aufzulegen. Dezente Beats stimmen auf den Abend ein und so langsam strömen ein paar Leute herein, während schon Aleph mit flüssigem Übergang den DJ an den Pulten beerbt und seinen Liveauftritt beginnt.
Sehr ruhig gehalten wird vollelektronisch Musik zusammengesetzt. Sehr smooth das ganze, ja hypnotisch würde man fast meinen. Das Ganze bat nicht auf die Tanzfläche, versuchte auch erst gar nicht wie normale Warm-Up-Bands das Publikum anzuheizen. Stattdessen saß man auf den wenigen Stühlen am Rand und konnte sich des Gefühls nicht erwehren an der Bar zu sitzen und sich ruhig den Tag durch den Kopf gehen zu lassen. (Achtung! Kein Vergleich mit Musik, die in Bars gespielt wird)

Danach übernahm r.roo und hatte ich nach Hören des Albums Shilly Shally, das äußerst ruhig und unterkühlte elektronische Musik bot, jetzt eine noch weitere loungisierung des Abends erwartet, war dieses Set tatsächlich überraschend warm und in Teilen tanzbar. Zu hören war guter Minimal Electro, mit teils lustigen Passagen, die etwas an Leierkastenmusik auf Jahrmärkten erinnerte und ihren Teil zu diesem überaus interessanten Set beitrugen, das mit sehr reduzierten Mitteln sehr viel erreichte.

Das Duo Ex_Tension, welches im Anschluss auftrat hatte mit mit einem Keyboard und Synthesizer mehr Technik auf die Bühne gebracht. Zu hören waren etwas härtere Beats in rhythmischer Manier, angereichert durch einige Noise- und Halleffekte, die der Keyboarder beisteuerte. Vielleicht schon als EBM bezeichbar, kamen hier jedoch immer Nuancenänderungen und Effekte dazu, die das ganze nie zu stumpf wirken ließen. Etwas irritierend waren die etwas ausschweifenden Gesten und Gepose der beiden, insbesondere des Keyboarders, sobald eine Pause an den Geräten möglich schien, was bei der Qualität der Performance allerdings verzeihbar war. Eine Fanbase, die das goutierte gab es den Reaktionen entsprechend zudem vor Ort.

Mit Architect war im Anschluss einer der großen Namen des Festivals am Start. Meine Erwartungen waren dennoch nicht allzu hoch, auch weil ich nicht allzu viel im Vorfeld davon gehört hatte, aber deutscher Industrial allzu oft in meinen Augen aus stumpfem langsamen Techno ohne besonders viel Abwechslung bestand. Zum Aufbau wurde denn auch der Beamer in Position gebracht, der allerdings später als der Architekt sein Video vorstellen wollte nicht funktionierte. Ob das am Gerät oder an einem anscheinend neu hinzugekommenen Balken, der mitten im Lichtstrahl hing lag, war als Außenstehender schwer nachzuvollziehen.
Mit aufgebaut wurden auch zwei massive Bodentrommeln und ich sah meine schlimmsten Befürchtungen schon bestätigt, spätestens als der Bass laut ertönte und der Bass den ganzen Saal zum Vibrieren brachte. Was dann jedoch geschah waren Breaks, Verzerrungen, Scratches und Live-Remixqualitäten des eigenen Werks allererster Güte. Mit wenig Mitteln legte Architect einen euphorisierenden Auftritt hin, mit einer Bühnenperformance voller Lebendigkeit, die nicht zuletzt auch aufgrund des Körperbaus überraschte. Lieder wurden unterbrochen und neu gestartet mit neuer Bearbeitung, die Trommeln wurden beinahe in die Knie gezwungen und all das sorgte dafür, dass es eben nicht einschläferndes Gewummer, sondern vitalisierender Noize (mit z) wurde und mit einer der besten Acts des Festivals.

Gleiches lässt sich aus meiner Sicht von Moaan Exis (soll das mehr als moan axis oder moan(ing) excess gedacht sein?) nicht behaupten. Zwar hatten diese sicher eine gute Grundausstattung mit Synthie und einem vollen Drumset, das sie auch zu bedienen wissen. Dem monotonen Geprügel, das aus beiden Tonerzeugern kam, konnte ich allerdings auch beim letzten Mal bereits nichts abgewinnen. Dass der Beamer streikte bewahrte den Zuschauer in dieser Ausgabe vielleicht auch vor den repetitiven Pornokaleidoskopen, welche das letzte Mal genauso einfallslos die ganze Zeit in Dauerschleife liefen. Vielleicht braucht man da einen besonderen Zugang, wenn man den Vibe spürt, es gibt ja durchaus eine Fanbase, doch immer dann wenn Kunstpausen waren, oder vielleicht mal eine Änderung, eine Bereicherung des Sounds angemessen gewesen wäre, war die Antwort doch stets nur lauter und heftiger weiterzuprügeln. Und auch Moaan Exis sparten nicht am Gepose mit ihren nackten Oberkörpern, im Gegensatz zu Ex_Tension aber wesentlich weniger gerechtfertigt.

Und dann war noch ein großer Name im Rennen: Ambassador21. Hatte ich im Vorjahr noch zu Elektrodauerfeuer von Illegal Trade abgespackt, war diesmal das Hauptprojekt zu Gast. Mit Gitarre und Schlagzeug als Verstärkung zur Elektronik, wurde ein düsteres Gewitter stampfender elektronischer Musik abgeliefert, zu gesprochen-geschrienen Lyrics. Am ersten Abend, zugegebenermaßen leicht überfordernd nach einem ausgedehnten Lauf durch die Prager Innenstadt, aber überfordernd muss dieser Stil ja auch sein. Das bekamen sie auch gut hin. Die paar Minuten, die ich dann mithalten konnte waren auch äußerst befriedigend. Ein Auftritt voller Energie, Kraft und, man sollte es nicht meinen, auch Musikalität.

Zu den Klängen von DJ Paradroid, der durchaus nicht schlecht war, ging es zurück gen Hostel.


Samstag


Diesmal etwas später hineingekommen, bekam man noch etwas von DJ S. Alt mit, der als Herr an den Decks die meiste Zeit mit den Händen hinter dem Rücken stand. Mehr brauchte der Großmeister des ant-zen Labels auch nicht für ein ansprechendes Set aus Industrial.

Den Abend eröffnet im Anschluss Amesha Spenta. Die elektronische Musik mit einem ordentlichen Schuss Orient versetzt, bot eine Wohltat für die Ohren. Dabei war die Live-Performance, was das elektronische anbelangt recht reduziert, da allem Anschein nach außer dem gelegentlichen Starten von Presets nichts geschah. Das erklärte sich jedoch alsbald, als zur Gitarre gegriffen wurde und mit virtuosen Walls of Sound eine Symbiose mit den Klangstrukturen aus dem Computer geschaffen wurde. Ein guter Einstieg in Abend zwei.

Was dem folgte, toppte das ganze aber noch einmal spielend. Mit Atonalist war ein Duo anwesend, deren Musik genau der Grund ist, weshalb das Audiotrauma Fest so eine gute Adresse ist. Hier gibt es noch Klangkompositionen im Bereich der Unterhaltungsmusik, die tatsächlich noch neu und unverbraucht klingen. Im Falle von The Atonalist wurde mittels Bassklarinetten, Saxophon, Gitarre und Trompete die Klangfassade, die aus Ambient, Drone, Industrial und auch mal Noise bestand ergänzt. Ebenfalls vom Band kam die Stimme Gavin Fridays. Wie das zusammenpasste, wird man in Schriftform kaum erkennen können. Funktioniert hat es allerdings sehr wohl. Ein Groove zwischen moderner E-Musik, Free Jazz und treibender elektronischer Rhythmik und Arhythmik. Eine Erfrischungskur für Geist und Körper gleichermaßen und für mich auch der beste Act des gesamten Festivals. Wenn man es noch nicht getan hat, sollte man sich diese Gruppe unbedingt einmal anhören.

Übertreffen konnte das die im Anschluss spielende Ecstasphere dementsprechend nicht. Im Gegenteil war es schwer einen Zugang zu finden. Zwischen Industrial und IDM wurde versucht zu wandeln, aber es wirkte gleichzeitig so, als habe man von allem zu viel auf einmal gewollt. Lyrics, halbgares Gitarrenspiel, Synthesizer und zwischendrin Stampfpassagen, was allles allzu oft wie zufällig hingewürfelt wirkte. In schlechten Momenten wirkte es so, als wäre man auf dem 0815 Cybergothfloor aufgewacht. Andere Momente wirkten dann, als hätte man einen nicht so guten Remix von Sonic Area-Stücken vorgenommen. In der zweiten Hälfte war ansatzweise Potential erkennbar, aber überzeugend war dieser Auftritt nicht, wenn auch besser als Moaan Exis.

Auch keinen wirklichen Zugang wollte mir zu dem Duo Cardinal Noire gelingen. Zwar brachten diese eine solide elektronisch-experimentale Basis für ihren vordergründigen Stampfbeat zustande, auf den geschrien wurde. Einen etwas hölzernen Eindruck vermied dies aber nicht, auch nicht, dass der Auftritt dann doch einige Längen mit sich brachte.

Das war hingegen bei den folgenden Chrysalide wie auch die letzten beiden Male nicht der Fall. Ich weiß nicht, ob ich persönlich jemals wirklich mitgegangen bin. Und auch dieses Mal, schaute ich mir das ganze auch wieder vom Rand an, während die Kernband von audiotrauma aufdrehte. Erst mit dem klassischen Intro „Who's still alive“ und „Traders must die“, danach wild durch das Schaffen hindurch. Geshoute und Harsh Electro der allerbesten Sorte, klassisch verschmierte Gesichter und eine Meute, die in völlige Ekstase geriet, ließen das dann allerdings auch von außen ein ziemliches Spektakel werden. Eine brutale Soundkulisse, gepaart mit den ersten Crowdsurfingeinheiten von Arnaud Coeffic bis zur Bar am anderen Ende des Saales machten aus der Performance ein umschmetterndes Kraftpaket.

Das Finale boten Horskh mit einiger Verspätung nach dem Intro, was aufgrund der Länge der Pause wohl eher technische Störung als Kunstpause war. Mit Schlagzeug und oberkörperfreiem Trommler sowie einer Person am Synthie ausgestattet, boten sie ein ähnliches Bild wie Moaan Exis, zeigten allerdings auch, wie man so etwas dann in gut aufziehen kann. Zwar gab es auch hier ein elektronisches Brett vor den Latz geknallt und gab der Trommler alles, aber immer um Abwechslungsreichtum bemüht und aufgelockert durch Lyrics. Eine Zuschauerschar, die noch einmal alles gab und den Sänger in Akkordarbeit auf Händen trug, waren der Dank dafür. Etwas übertrieben wurde es allerdings, als fast die Ausrüstung des angestammten Audiotrauma-Filmers bei einer zuschauerinternen Surfaktion in die Brüche ging. Kratzig, Harsh und beatbetont gestaltete sich so die letzte Runde des Auditraumafestivals. Horskh boten definitiv einen würdigen Schlusspunkt unter eine ganze Reihe bemerkenswerter Bands.

Danach gabs allerdings noch etwas Aftershowgetanze zu DJ 141. Hatte dieser beim letzten Audiotraumafest noch das Pech aufgrund der zu früh beendeten Warm-Up-Party stehts auf den nächsten Tag vertröstet zu werden und so am Ende komplett ausfiel, durfte er dieses mal endlich sein Können unter Beweis stellen. Breakcore und Drum'n'Bass standen dabei auf dem Speiseplan, der tatsächlich noch einmal einige müde Knochen aufleben ließ, bevor es dann auch aus Rücksicht auf die am nächsten Tag folgende Heimfahrt etwas vor Schluss zurück zum Hostel ging.

Fazit


Zum Abschluss bleibt zu sagen: Wieder ein herausragendes Festival, selbst wenn nicht alle Acts überzeugten, bei solch einer Anzahl von Acts ist das auch aufgrund von Geschmacksunterschieden nicht auszuschließen. Es war unterhaltend, hat vielen Projekten eine Bühne geboten, die sonst nicht Mainstream genug sind und es hat neue Perspektiven auf populäre elektronische Musikgenres geworfen, bei denen man allzu oft wirklich progressive Abwandlungen vermisst. Ich hoffe jedenfalls auf eine Neuauflage im nächsten Jahr und auf viele coole Releases dieses Labels bis dahin. Ohne Audiotrauma würde eindeutig etwas fehlen.

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